Seite:Die Grenzboten 1-1841.pdf/74

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1


Briefe aus Paris.
Cotta. Die deutschen Bücher und Reisende. Die Herbstschwalben bei Moriz Schlesinger.
Brockhaus und die Lafarge. Jules Janin als Ehemann.


Oktober.     

Man spricht davon, daß die Cotta’sche Buchhandlung hier ein Depot errichten wird, in welchem ihre Auflagen der deutschen Klassiker: Schiller, Göthe, in so bedeutenden Minderpreisen verkauft werden sollen, daß es den hiesigen Nachdruckern unmöglich sein wird, ihre mühevollen, von den lächerlichsten Druckfehlern wimmelnden Ausgaben abzusetzen. Es ist unglaublich, was die Tetot’schen Nachdrücke für eine Verbreitung gefunden haben. Nach England, Rußland, überall hin wälzten sie ihre sündige Überschwemmung. Sogar nach Deutschland werden sie eingeschmuggelt.

Fast jede wohlhabende deutsche Familie, die eine Lustreise nach Paris macht, führt in ihrem Reisekoffer ein kleines Sortiment solcher Nachdrücke nach Deutschland zurück. In Summa ist dieß keineswegs so unbedeutend, als man wohl glaubt. Trotz der Schilderung, welche die deutsche Journalistik der neuesten Zeit von Paris macht, als ob Sodom und Gomorah im Verhältniß dagegen zwei Nonnenkloster gewesen wären, finden sich der deutschen Besucher mehr als je ein. Namentlich in den Ferienmonaten kann man auf den Boulevards, in den Tuilerieen, bei Gagliani, in dem dunklen Cabinet de Lecture des Palais Royal, vor Allem aber bei den Restaurateurs zu 32 Sous eine Menge friedlicher, bebrillter, schwarzgekleideter Männer sehen, die man auf den ersten Blick als deutsche Gelehrte erkennen muß.

Die deutschen Gelehrten und die deutschen Musiker sind die jährlichen Herbstschwalben von Paris, und wenn in der Rue Richelieu bei dem Musikhändler Moriz Schlesinger, die blondhaarigen jungen deutschen Geiger und Pianisten mit den großen Empfehlungsbriefen sich sehen lassen, so könnt Ihr darauf zählen, daß am Rhein und Neckar die Weinlese beginnt. Diese Musikhandlung ist für die deutschen Musiker ohngefähr das, was im Mittelalter die Hospize im Morgenlande für die Kreuzfahrer und Pilgersleute des Occidents waren. Moriz Schlesinger hat von der Königin von England eine goldene Medaille zum Geschenk erhalten, als Anerkennung seiner brillanten Ausgaben der Werke Meyerbeers und Schlesingers. Die Auszeichnung ist dem thätigen, einsichtsvollen und gastfreien Manne wohl zu gönnen.

Das Verbot, welches Preußen auf die von Brockhaus und Avenarius angekündigte Uebersetzung der Memoiren der Madame Lafarge gelegt hat, wurde hier auf eine hämische Weise

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/74&oldid=- (Version vom 31.7.2018)