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Fritzsche war die erste, welche die Stillosigkeit in der Dekoration der Einbände erkannte, auf gute alte Vorbilder zurükgriff und wirkliche Künstler für das Buchgewerbe zu interessieren suchte. Gustav Fritzsche hat das Verdienst, die Kunst der fabrikmäßigen Herstellung dienstbar gemacht zu haben. Aber nicht zufrieden damit, selbstschaffend thätig zu sein, war er auch bestrebt, für das gesamte Buchgewerbe anregend zu wirken. Und so entstand nachmals sein verdienstvolles Fachwerk: „Moderne Bucheinbände, Sammlung künstlerischer Originalentwürfe“, zu welchem eine große Anzahl hervorragender Künstler Zeichnungen lieferten.

Erwarb sich einerseits die Firma Gustav Fritzsche besondere Verdienste um die Buchbinderei als Kunstgewerbe, so schuf sie sich andererseits eine Spezialität in der fabrikmäßigen Herstellung von „Masseneinbänden“ für den Buchhandel. Die Erfolge des nunmehr rasch aufblühenden Geschäftes verlangten eine fortwährende Vergrößerung des Arbeiterpersonals und sehr bald die Erbauung eines eigenen großen Fabrikgebäudes. Dasselbe wurde im Jahre 1878 auf der Kurzen Straße errichtet und bildet in seiner jetzigen Gestalt ein musterhaft gegliedertes Ganzes. Im ersten Stock befindet sich der Pressersaal, in welchem die Decken und Rücken ihren Schmuck durch Gold- und Farbendruck erhalten. Das zweite Stockwerk dient als Lagerraum für die Materialien und für fertige Bücher. Im dritten Stockwerk sieht man fast nur Arbeiterinnen, welche mit den zur Herstellung der Bücher nötigen Vorarbeiten, vom Falzen der Bogen ab bis mit dem Heften derselben beschäftigt sind. Acht Brehmersche Draht- und Fadenheftmaschinen, mit welchen in einem Arbeitstage 150 000 Bogen geheftet werden können, besorgen das letztere. Die gehefteten Bücher gelangen nunmehr nach dem vierten Stockwerk. Hier werden dieselben geleimt, beschnitten, gerundet und die Schnitte nach Erfordernis marmoriert, gefärbt oder mit Goldschnitt versehen. Daselbst befinden sich auch die Ateliers für Zeichnungen und altdeutsche Lederarbeiten. Aus diesem Saale wandern die Bücher zurück nach dem Parterre, wo sie fertig gemacht und durchgesehen werden. Im Souterrain endlich befinden sich die Pappenbearbeitungsmaschinen und die Lagerräume für mehrere hundert Centner Pappen. Hinter dem Hauptgebäude befindet sich endlich das Kessel- und Maschinenhaus. Es dürfte von Interesse sein, die Zahlen zu erfahren, welche den Materialverbrauch und die Arbeitslöhne des letzten Geschäftsjahres kennzeichnen. Es wurden 1891 ausgezahlt: an Arbeitslöhnen 214 000 Mk., für Calico 47 000 Mk., für echtes Blattgold 48 000 Mk., für Leder 29 000 Mk., für Papier 32 000 Mk., für Pappen 36 000 Mk., für Farben 16 000 Mk., für Leim 5000 Mk. etc. Besonders ehrenvoll für die Firma ist die große Anzahl langjähriger Mitarbeiter und Gehilfen, die sie besitzt und unter denen sich Personen befinden, die schon seit länger denn 25 Jahre dem Geschäfte angehören.

Der jetzige Inhaber der Firma ist Herr Hugo Fritzsche, der 1889 am Jubiläumstage als Teilhaber eintrat und dem kurz darauf ebenfalls der Titel „Königlich Sächsischer Hofbuchbinder“ verliehen wurde. Im Gegensatze zu den Söhnen anderer Großindustrieller, die keinen Geschmack an dem Gewerbe finden, das die Grundlage des väterlichen Wohlstandes wurde, hat derselbe als Lehrling regelrecht die Buchbinderei erlernt, wurde zum Gesellen gesprochen und arbeitete zu seiner Ausbildung in Altenburg, Wien, Karlsruhe und Hamburg, in welch’ letzterem Orte er sich mit der altdeutschen Lederplastik vertraut machte, die er später als Spezialität dem väterlichen Geschäfte einfügte. Nachdem er noch dem Vaterlande als Einjährig-Freiwilliger gedient, widmete er seine ganze Kraft der alten hochrenommierten Firma, deren einziger Inhaber er jetzt ist, denn im Jahre 1890 begab sich der verdienstvolle Begründer, den das Vertrauen seiner Mitbürger zum sächsischen Landtagsabgeordneten wählte, in den Ruhestand. Es ist ein günstiger Beweis für die Tüchtigkeit des Sohnes, daß er das Werk des Vaters unter stetiger Fortentwickelung und Vergrößerung einer glänzenden Zukunft entgegenführt. Vielleicht interessiert es den Leser noch, zu erfahren, daß der geschmackvolle Einband des vorliegenden Werkes ebenfalls in der Hofbuchbinderei von Gustav Fritzsche hergestellt worden ist.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/125&oldid=- (Version vom 23.2.2020)