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Eine besondere Spezialität der Uebigauer Werft ist das von Professor Dr. Zeuner erfundene „Strahlschiff“, für welches sie das Alleinrecht der Herstellung besitzt. Nach vielen seit dreißig Jahren von den ersten Marinen gemachten Versuchen, Schiffe nach dem Systeme der hydraulischen Reaktion zu treiben, ist dieses Strahlschiff das erste der Art, welches wirklichen Erfolg hatte und in seinen Leistungen die Schraube noch übertrifft. Das System eignet sich für Schiffe von sehr geringer Tauchtiefe ebenso wie für Seeschiffe und besonders für Schiffe, von welchen große Geschwindigkeit gefordert wird. Das erste nach dem Systeme gebaute Schiff „Sachsen“ wurde für die Königliche Wasserbau-Direktion in Dresden geliefert.

Ferner werden gebaut Dampfmaschinen und Dampfkessel für Schiffs- und Landanlagen, sowie unter anderem Pumpwerke, Rührwerke, Krähne, genietete und geschweißte Blechgefäße jeder Art, eiserne Seetonnen; dann alle Ausrüstungsgegenstände für Schiffe, besonders auch Hand- und Dampfwinden, Dampfsteuer, Dampfspille, Anker, Ketten u. dergl., sowie Eisen- und Metallguß.

Eine besondere Einrichtung, und zwar die einzige der Art in Deutschland, ist die mit elektrischem Betriebe ausgerüstete Versuchsstelle zum Messen der Widerstände der Schiffe gegen die Fortbewegung im unbegrenzten oder, wie im Fluß oder Kanäle, verschieden begrenzten Wasser. Es werden hier im Auftrage des Königlich Preußischen Arbeitsministeriums umfangreiche Versuche ausgeführt.

Das Areal des Etablissements umfaßt einen Flächenraum von 59 600 qm, von denen 10 500 qm von den Werkstätten, den Lager- und Verwaltungsräumen in Anspruch genommen werden. Die Zahl der Arbeiter, die in Schiffszimmerleute, Eisenschiffbauer, Stellmacher, Tischler, Maler, Maschinenbauer, Schmiede und Kesselschmiede, Klempner, Gießer und Former zerfallen, ist zur Zeit 500. Vier Dampfkessel von insgesamt 145 qm Heizfläche speisen 3 Dampfmaschinen von zusammen ca. 200 Pferdekräften, welche die verschiedenen Betriebsmaschinen und die Wasserleitung in Thätigkeit erhalten. Die Werkstätten selbst sind geräumig, nach den neuesten Erfahrungen eingerichtet und mit vorzüglichen Werkzeugen reichlich ausgestattet. An Rohmaterial verarbeitet die Uebigauer Werft Stabeisen und Bleche, sowie kieferne und eichene Hölzer. Dasselbe wird zum großen Teile aus Schlesien, jedoch auch aus Sachsen und Böhmen bezogen. Auch Westfalen liefert Eisen, Bleche und Kleineisenzeug, Schottland Schiffs- und Kesselbleche, während zum Ausbau der Schiffskajüten und zu den Schiffsdecks größtenteils feinere überseeische Hölzer Verwendung finden.

Der jährliche Umsatz des Etablissements betrug bisher 1–1½ Million Mark. Haupt­-Absatzgebiet ist das deutsche Reich, insbesondere das Stromgebiet der Elbe, in zweiter Linie auch das Ausland, besonders Rußland, Südamerika, Australien und Deutsch-Afrika.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/219&oldid=- (Version vom 14.4.2020)