Seite:Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild Teil 2.pdf/316

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Karl Reißmann, Leipzig-Plagwitz.

Die Geschichte einer Firma schreiben, heißt oft nichts anderes, als den Lebenslauf ihres Inhabers schildern – beide sind mit ihren Wandlungen und Schicksalen meist unlösbar verknüpft, beide wachsen mit einander und wirken in gegenseitiger Ergänzung, und beide machen vielfach ganz dieselben Entwicklungsstufen durch. Ein frappantes Beispiel dieser Art bildet die Firma Karl Reißmann in Leipzig-Plagwitz, die lediglich eine Schöpfung ihres Besitzers ist und deren Geschichte nichts anderes sein kann, als eine Biographie ihres Besitzers.

Karl Heinrich Reißmann wurde im Jahre 1839 in Wurzen i. S. als Sohn eines Bäckers geboren und trat nach kurzem Besuche der Leipziger Realschule in eine kaufmännische Lehre. Nachdem er nach Beendigung derselben im Hause seines Prinzipals noch ein Jahr lang als Kommis thätig war, wurde er von Dr. Karl Heine in Plagwitz mit einem Gehalte von 180 Thalern als Kommis für dessen Dampfsägewerk engagiert. Das Werk zerkleinerte Farbhölzer für Leipziger Großhändler und stand unter der Leitung eines Geschäftsführers. Der junge Kommis war kaum heimisch geworden, als er auch schon Gelegenheit fand, seinen kaufmännischen Scharfblick und seine Energie zu beweisen. Das ganze Geschäft befand sich nämlich in einem trostlosen Zustande, und vor allem die Bücher waren so unordentlich geführt, daß sie keinen Überblick über das Lager anvertrauter, zur Verarbeitung bestimmter Hölzer gestatteten. Karl Reißmann vertrat sofort mit großer Entschiedenheit die Interessen seines Chefs und versuchte, Ordnung in den Betrieb zu bringen. Da aber seine Vorschläge und Forderungen zurückgewiesen wurden, so stellte er eines Tages dem Besitzer selbst die Sachlage dar. Die Folge war, daß der bisherige Leiter entlassen und der junge Kommis an dessen Stelle gesetzt wurde.

Trotz aller Mühe indes gelang es ihm nicht, das Geschäft unter obwaltenden Umständen zur Blüte zu bringen, und Dr. Karl Heine, ohnedies überbürdet mit mancherlei Unternehmungen, bot es ihm eines Tages billig zum Verkauf an. Karl Reißmann ging auf das Anerbieten ein, nachdem er in der Person des Herrn Hugo Wetzel einen Kapitalisten als Teilnehmer gefunden hatte. Beide begründeten darauf 1866 ihre eigene Firma und arbeiteten gemeinschaftlich bis zum Jahre 1891, wo Herr Wetzel starb und Herr Reißmann das Geschäft allein weiterführte.

Die politischen Ereignisse des Jahres 1866 bedeuteten für die beiden jungen Anfänger eine schwere Prüfung. Indes nach geschlossenem Frieden blühte das Geschäft überraschend schnell auf, und diese erfreuliche Fortentwicklung dauerte bis zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges, der eine Ruhepause von sechs Monaten brachte. Kaum aber war der Krieg beendet, als ein abermaliger Aufschwung begann, der den früheren weit überholte.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/316&oldid=- (Version vom 4.8.2020)