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Leider brachte das Jahr 1890 eine schwere Katastrophe, indem die ältere, aber sehr gut eingerichtete Netzschkauer Fabrik in Flammen aufging, mit ihr zahlreiche nicht durchweg versicherte Vorräte von bedeutendem Werte. Den größten Schaden aber bereiteten die durch den Brand entstandenen Betriebsstockungen. An der zweiten Fabrik in Netzschkau wurde nun ein größerer Shed-Anbau und ebendaselbst 1891 ein neues Hochbau-Fabrikgebäude errichtet; ferner wurde auch in Adorf eine Weberei, die jetzt mit ca. 400 Webstühlen arbeitet, sowie eine kleine Versuchsspinnerei in Betrieb gesetzt. Angestrengteste Thätigkeit, sowie das Entgegenkommen einer treuen Kundschaft halfen die Krisis überwinden.

Im Jahre 1891 wurde Herr Friedrich Uebel, der einzige Sohn des Herrn Louis Uebel, nachdem er bereits einige Jahre, ein Jahr davon als Prokurist, im Geschäft thätig gewesen war, als Teilhaber in die Firma aufgenommen.

Zur Zeit beschäftigt die Firma gegen 700 Arbeiter und über 60 Ober- und Unterbeamte. Bei einer Anzahl von ca. 1000 Webstühlen und einer wöchentlichen Produktion von ca. 400 000 m werden in der Hauptsache Futterstoffe aller Art, Rollbooks zu Hutfaçons, Kattune für Militärzwecke und zur Wachstuchfabrikation, sowie Verbandstoffe angefertigt. Das Absatzgebiet ist in erster Linie Deutschland; aber auch der Export nach dem Auslande ist nicht unbedeutend, wenn er auch in den letzten Jahren durch Zollerhöhungen auswärtiger Staaten geschädigt worden ist. Für diese Ausfälle suchten sich die Herren Gebrüder Uebel durch vergrößerten Absatz im Inlande zu entschädigen, und es gelang ihnen auch, u. a. größere Lieferungen in Stoffen für Soldaten­-Bekleidung etc. übertragen zu erhalten, deren Ausführung lobende Anerkennung fand.

Ein Beweis von der Vorzüglichkeit der von der Firma hergestellten Waren ist der große Umsatz; ebenso sind es die auf Ausstellungen erhaltenen Auszeichnungen, zu denen auch der erste Preis nebst dazu gehöriger Medaille von der Centennial International Exhibition in Melbourne 1888 gehört. Eine besondere Anerkennung für die Firma waren die Besuche Ihrer Majestäten des Königs Johann 1860 und des Königs Albert 1889.

Das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist das beste. Auch in flauer Geschäftszeit haben die Herren Gebrüder Uebel, mehr das Wohl ihrer Arbeiter als ihr eigenes im Auge behaltend, den Betrieb nicht unterbrochen. Dafür hatten sie aber auch die Genugthuung, daß bei ihnen während der großen, allgemeinen Ausstände in Netzschkau und Umgegend nicht die geringste Stockung eintrat. Unter den Arbeitern sowie im Kontor dienen verschiedene dem Geschäft seit seiner Begründung und viele haben das Diplom für 25-jährige Thätigkeit erhalten.

An arbeiterfreundlichen Stiftungen sei eine Kinderbewahranstalt in Netzschkau hervorgehoben, die später von der Stadt übernommen wurde und durch Ankauf mit namhafter Unterstützung des Herrn Wilhelm Uebel ein eigenes Grundstück erhielt. Auch in Adorf ist eine Kinderbewahranstalt und eine Arbeiterküche eingerichtet.

Die Versicherung der Arbeiter gegen Krankheit und im Alter eingetretene Arbeitsunfähigkeit war durch eine Krankenkasse und eine freiwillige Pensionskasse längst vor dem Inkrafttreten der betreffenden Reichsgesetze geregelt, ebenso war auch schon früher das Personal – ohne Beitragsleistung seinerseits – gegen Betriebsunfälle bei einer Privatgesellschaft versichert. Die übrig verbliebenen Fonds der genannten Kassen wurden sodann einer freiwilligen Hilfskasse zu Grunde gelegt, die in Fällen, in denen die reichsgesetzliche Versicherung nicht ausreicht, helfend eingreift. Der Erfolg der Firma beruht darauf, daß die beiden Begründer, der eine als technischer, der andere als kaufmännischer Leiter, ihre volle Kraft in den Dienst des Geschäfts stellten, ja bis 1864 die gesamte Arbeitslast fast allein bewältigten. Durch strenge Reellität verschafften sie ihrem Namen in der Geschäftswelt einen guten Klang.

Möge der ehrenvolle Ruf, den die Firma Gebrüder Uebel allerwärts genießt, ihr für alle Zeit erhalten bleiben!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/409&oldid=- (Version vom 2.4.2020)