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Winkler & Sohn, Rochlitz
Mechanische Weberei und Wollwaren-Fabrik.

Wir sehen in dieser Firma einen der Veteranen der sächsischen Großindustrie vor uns, der nicht bloß 1½ Jahrhunderte eng mit deren Schicksalen und Wandelungen verknüpft war, sondern auch diese ganze Zeit im Besitze der Familie des Begründers verblieben ist. Die fünfte Generation ist es, die jetzt in der Person des Herrn Kommerzienrates Heinrich Julius Hartmann die Leitung dieses Welthauses übernommen hat. Und diese fünf Generationen haben redlich ihr Teil mit dazu beigetragen, dem anmutigen Städtchen Rochlitz industrielles Leben, Handel und Wandel zuzuführen, es zu einer Etappe auf den Straßen des Weltmarktes zu machen. Auch diese Firma ist eine Vertreterin der Textilindustrie, die in unserem Vaterlande eine so hervorragende Rolle spielt und die Hauptursache bildet, daß das kleine Sachsen mit zu den ersten Industriestaaten der Welt zählt. – Die Firma Winkler & Sohn wurde im Jahre 1750 von Johann Christian Winkler in Rochlitz begründet. Die ersten zwölf Jahre lang bewegte sich ihr Geschäftsbetrieb in den Grenzen eines einfachen Handlungshauses, und erst im Jahre 1762, als ein Fabrikgebäude errichtet worden war, etablierte sie sich als eigentliche Manufaktur. Ihre Erzeugnisse bestanden zuerst in Tuchen, dann gesellte sich die Anfertigung wollener Zeugwaren – wie Segowie, Halbtuche, Casimir, Camelotte und Berrocan – hinzu und später erstreckte sich die Produktion des Geschäftes auf jene Artikel, die noch heute seine Haupterzeugnisse bilden; auf Cachemire, Merinos, Mousseline, Satin de laine, Croisées, Foulets, Cheviots, Konfektionsstoffe in Kammgarn, Cachemir-Tücher und Long Châles, sowie indische Châles.

Schon aus der Mannigfaltigkeit dieser Erzeugnisse läßt sich ein Schluß ziehen auf den großen Apparat an Maschinen- und Menschenkräften, der der Firma Winkler & Sohn zur Verfügung steht. Zwei Dampfmaschinen, die eine zu 80, die andere zu 12 Pferdekräften, sind ständig im Betrieb, und ein Personal von ca. 300 Arbeitern und Arbeiterinnen wird jahraus jahrein beschäftigt. Der Jahresumsatz, zu dem alle fünf Weltteile beitragen, beläuft sich auf 1½–2 Millionen Mark; Hauptabnehmer sind dabei außer Deutschland, speziell England, Schweden, Nord- und Südamerika, der Orient, Ostindien, Nordafrika und Australien. Mannigfach sind auch die Auszeichnungen, die Winkler & Sohn für ihre Erzeugnisse erhielten; die Reihe derselben beginnt mit dem Anfange dieses Jahrhunderts und schreitet fort bis auf unsere Zeit. Bereits 1810 wurde der Firma die große goldene sächsische Preismedaille verliehen; dieselbe Anerkennung wiederholt sich dann noch zweimal in den Jahren 1835 und 1850; in Berlin wurde ihr 1844 ebenfalls die große goldene Preismedaille zuerkannt, 1854 in München eine Ehrenmedaille, 1851 in London nochmals eine Preismedaille und 1873 in Wien eine Verdienstmedaille.

Von besonderem Interesse ist es, einen Blick auf die interne Geschichte der Firma zu werfen, auf die Aufeinanderfolge der Besitzer, auf die Stellung, die das Etablissement als hochangesehenes

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/439&oldid=- (Version vom 2.4.2020)