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der ganzen Welt, was ihn von dieser Liebe zu scheiden vermöchte. Trotzdem wäre er bereit, wenn es möglich wäre, das schwere Opfer der Trennung von Christo zu bringen, wenn er dadurch seine Stammesgenossen, die Juden, zur Gemeinschaft mit Jesu Christo und zum Heile führen könnte. So groß ist die Liebe, die der Apostel zu seinen Brüdern, den Juden, in seinem Herzen trägt. Paulus rühmt die Auszeichnungen, mit denen Gott die Israeliten vor allen übrigen Völkern der Erde begnadigt hat, indem er sie zu seinen Kindern angenommen, ihnen sein Gesetz gegeben, ihren Gottesdienst geordnet, ihnen die Verheißungen vom Messias anvertraut hat. Den Israeliten, sagt Paulus, gehören die Väter an, die Ahnen Jesu Christi, der obwohl Gott, hochgelobt in Ewigkeit, dem Fleische nach von ihnen abstammt. (Rom. 9.)

Wenn der heilige Apostel Paulus in einer Stadt das Evangelium verkünden wollte, wandte er sich mit seiner Predigt immer zuerst an die daselbst sich aufhaltenden Juden, obwohl er wußte, daß er sich dadurch Verfolgungen und großen Gefahren von seiten der Juden aussetzte. Er will damit thatsächlich aussprechen, daß die Juden auf das von Christo gebrachte Heil den ersten Anspruch haben.

Nichtsdestoweniger können wir von dem heiligen Paulus auch hören, wie er die Juden Feinde Gottes nennt, und wie er es beklagt, daß auf ihren Herzen eine Decke liegt, so daß sie Christum in der heiligen Schrift nicht finden. (Rom. 11, 28; II. Cor. 3, 15.)

Wenn aber auch die Juden in der heiligen Schrift Christum den Herrn nicht finden, so bleibt es trotzdem nach der Lehre des heiligen Paulus eine Auszeichnung des jüdischen Volkes, daß Christus dem Fleische nach aus ihm hervorgegangen ist. Und wenn wir nach dem Vorgange des heiligen Paulus noch beifügen, daß auch die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, der heilige Nährvater Joseph, die heiligen Apostel und ersten Christen dem jüdischen Volke angehörten, so wird jeder unbefangene Leser sofort erkennen, wie es in diesem Zusammenhange aufzufassen ist, wenn wir sagen, daß alle Völker der Erde dem Judenvolke zum Danke verpflichtet seien. Wie oft hat man schon, ohne daß es unpassend gefunden wurde, Städten oder Familien den Dank dafür ausgesprochen, daß große Männer aus ihnen hervorgegangen sind!

Im Verhalten des göttlichen Heilandes und der Apostel gegen die Juden erblickte die Kirche stets das Vorbild, nach welchem auch sie ihr Verhalten gegen die Juden einzurichten habe. Hierfür liefert die Geschichte uns zahlreiche Beweise, denn an Veranlassungen, die im Herzen vorhandene Gesinnung gegen die Juden auch offen kundzugeben, hat es Päpsten und Bischöfen, Priestern und Ordensleuten in den vergangenen Jahrhunderten niemals gefehlt.


III.
Judenverfolgungen und ihre Veranlassungen.

Das Volk der Juden war schon in den ältesten Zeiten vielen Verfolgungen ausgesetzt, und meistenteils hatten es die Verfolger dabei nur auf die Schätze abgesehen, die im Besitze der Juden waren.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)