i. J. 641, die koptischen Christen mit ihrem Patriarchen an der Spitze zu Verrätern an ihren christlichen Brüdern wurden. Dieselben verbanden sich mit den Mohammedanern gegen ihre christlichen Mitbrüder und verhalfen den Feinden zum Siege und zu Eroberung des Landes. Diese Verräterei, von Christen gegen Christen geübt, ist gewiß viel schmachvoller und verwerflicher, als wenn ein einzelner Jude zum Verräter an Christen wird.
Es ist eine traurige Erscheinung, wenn man einen türkischen Herrscher sieht, der sein Volk durch einen Juden ausbeuten läßt, aber noch viel schmerzlicher ist es, wenn man sehen muß, wie christliche Fürsten dieses türkische Beispiel nachahmen und ihren christlichen Unterthanen durch Juden das Blut aussaugen lassen. An solchen christlichen Fürsten hat es leider, wie wir noch sehen werden, nicht gefehlt.
Im Anfange des elften Jahrhunderts brach im südlichen Frankreich eine heftige Verfolgung der Juden aus, zu welcher eine Nachricht aus dem Morgenlande die Veranlassung gegeben hatte. Die Kirche des heiligen Grabes zu Jerusalem war am 29. September 1010 von den Türken zerstört worden, und christliche Pilger brachten diese Trauerbotschaft in das Abendland zugleich mit Schilderungen der Bedrückungen und Leiden, denen die Christen im Morgenlande durch die Mohammedaner ausgesetzt waren. Nun verbreitete sich im südlichen Frankreich der Glaube, die Juden in der Stadt Orleans hätten an den Kalifen Hakem Beamrillah, den Sohn des vorhin genannten Kalifen Aziz von Ägypten, geschrieben und ihm mitgeteilt, daß auf Betreiben der syrischen Christen ein großer Kreuzzug im Abendlande geplant werde, um das Reich des Kalifen zu zertrümmern. Auf diese Mitteilung hin habe der Kalife die Kirche des heiligen Grabes zerstört und die Christen gedrückt und verfolgt. Die Juden in Orleans mußten ihr wahres oder vermeintliches Vergehen bitter büßen. Es wurde ihnen sowie den Juden in der Umgegend nur die Wahl gelassen, entweder sich im Christentume unterrichten zu lassen und binnen vier Wochen die heilige Taufe zu empfangen, oder anderenfalls Frankreich zu verlassen. Sämtliche Juden, nur drei oder vier ausgenommen, wählten das letztere, sie wollten lieber Frankreich als ihren Glauben verlassen.
Auch am Rheine scheinen um diese Zeit Aufläufe gegen die Juden stattgefunden zu haben; die in Mainz wohnenden Juden wurden damals, im Jahre 1012, von dem Kaiser Heinrich II. aus der Stadt verwiesen.
Wir haben gesagt, daß christliche Fürsten das schlechte Beispiel des Kalifen Aziz nachahmten und Hofjuden anstellten, welche die königliche Schatzkammer füllen mußten und zu diesem Zwecke das Volk aussaugen durften. Ein solcher Fürst war der König Alfonso VI. von Kastilien. Aus Geldgierde machte derselbe den Mauren und Juden so große Zugeständnisse, daß Erzbischof Bernard von Toledo, der von Alfonso selbst ernannte Primas von Spanien, ihn ermahnte, staatsklüger und christlicher zu Werke zu gehen, weil das christliche Volk großes Ärgernis an diesen Vergünstigungen nehme. Der Schatzmeister des Königs, ein bei den Mauren und Christen gleichmäßig verhaßter Jude, verlor in der Stadt Sevilla durch den Dolch sein Leben.
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)