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ruchbar, und weil schon vorher, im Jahre 1271, ein siebenjähriges Mädchen in Pforzheim von den Juden auf grausame Weise umgebracht worden sein sollte, kam besonders der christliche Adel in große Aufregung, die einigen tausend Juden das Leben kostete.

Zu Deggendorf in Bayern wurden die Juden angeschuldigt, sie hätten von einem alten Weibe eine kosfekrierte Hostie erkauft, aus welcher, als die erbosten Christenhasser mit Pfriemen hineinstachen, sich Blut ergoß. Die Obrigkeit wollte die Sache bedächtlich untersuchen, aber am 29. September 1337 zog Hartmann von Degenberg an der Spitze vieler Bauern des bayerischen Waldes nach dem Städtchen, und innerhalb einer Stunde waren alle Juden in Deggendorf niedergemetzelt. Herzog Heinrich von Bayern soll die Volksjustiz gebilligt und aus dem Gelde der Erschlagenen die noch stehende Kirche der Stadt erbaut haben. An vielen Orten bis Österreich und Kärnthen wurden damals die Juden verfolgt, und am Rhein dauerte die Verfolgung noch bis zum nächsten Jahre fort. Nach einer Mitteilung des damaligen bayerischen Geschichtschreibers Aventinus hatte sich infolge des langjährigen Streites, den der römische Kaiser Ludwig der Bayer mit dem Apostolischen Stuhle führte, bei den Juden in Deutschland die Meinung gebildet, das Deutsche Reich und mit ihm das ganze Christentum werde bald untergehen und der von den Juden erwartete Messias werde nun bald erscheinen. In dieser Hoffnung hätten die Juden in Deutschland damals ein geheimes Bündnis untereinander gegen die Christen abgeschlossen. Diese Mitteilung dürfte zur Erklärung der Thatsache dienen, daß die Niedermetzelung der Juden in Deggendorf an vielen anderen Orten fortgesetzt wurde.

Ein ähnlicher Fall wie in Deggendorf kam im Jahre 1492 auch in Spanien vor. Dort wurden die Juden beschuldigt, sie hätten im Orte La Quardia heilige Hostien gestohlen und Frevel daran verübt. Auch wurden sie angeklagt, sie hätten ein Christenkind gestohlen und ans Kreuz genagelt. Bald darauf erschien jenes königliche Edikt, von dem wir schon gesprochen haben, alle Juden hätten binnen drei Monaten Spanien zu verlassen. Da fiel ein Schrecken über alle Juden, und es war ein Jammer unter ihnen, größer als zur Zeit der Kaiser Titus und Hadrian. Selbst das Mitleid der Christen ward erweckt.

Im Jahre 1472 wurde zu Trient der Knabe Simon ermordet, und sein Blut in einer Flasche aufbewahrt. Der Vorgang wurde gerichtlich untersucht, und die jüdischen Mörder verurteilt. Die Untersuchung dauerte drei Monate. Der Doge von Venedig erließ eine Verordnung, worin er seinen Willen ausspricht, daß die Juden in seinem Lande ungehindert leben sollten; von dem Gerüchte, die Juden hätten den Knaben Simon ermordet, sagt er, es sei gegen die Juden erfunden worden. Doch bald wurde diese Verordnung wieder zurückgenommen, und es wurde gestattet, daß das Bild des jugendlichen Märtyrers umhergetragen werde. Die Juden wurden aus Trient vertrieben, ihre Synagoge in eine dem wunderthätigen Märtyrer Simon geweihte Kapelle umgewandelt. Da immer mehr Wunder auf die Fürbitte Simons geschahen, und die Verehrung desselben sich immer weiter ausbreitete, untersagte Papst Sixtus diese Verehrung, bis die Sache durch den Apostolischen Stuhl untersucht sei. Dabei nahm der

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Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)