Regierung Bericht zu erstatten.“ So schildert Georgios Zerros den Thatbestand. Der Rabbiner in Korfu hatte zwar erklärt, es handele sich nicht um ein Christen-, sondern um ein Judenmädchen, aber man glaubte es ihm nicht, und die Aufregung, die sich der christlichen Bevölkerung der Stadt Korfu und der ganzen Insel bemächtigte, war eine so große, daß man befürchtete, es würden alle Juden umgebracht und das ganze Judenviertel zu Korfu würde niedergebrannt. Es wurden daher Truppen von der griechischen Regierung nach Korfu geschickt, um die Ruhe wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten.
Noch war die Untersuchung wegen dieses Mordes in Korfu nicht beendigt, und schon wieder wurde von den öffentlichen Blättern die Nachricht gebracht, daß zu Xanten in der preußischen Rheinprovinz ein ähnlicher Mord geschehen sei, der die Bevölkerung in Erbitterung und furchtbare Aufregung versetzt habe. Der fünfjährige Knabe eines Handwerksmannes wurde ermordet, mit durchschnittenem Halse, mit Stroh zugedeckt in einer Scheune liegend aufgefunden, am 29. Juni dieses Jahres, nachdem man ihn einen ganzen Tag lang vergebens gesucht hatte. Als Mörder wurde ein Israelite bezeichnet, vor dessen Haus sich bald Tausende versammelten, um ihrer Wut vorerst in lauten Rufen Ausdruck zu geben. Am 5. Juli abends schien es, als wollte der Haufen das Haus des Israeliten stürmen; die Sicherheitsmannschaft war unvermögend, die Ruhe herzustellen, weshalb man den Pfarrer herbeirief, dem es auch gelang, die Menge zu beruhigen und mit dem Hinweis auf die bevorstehende gerichtliche Untersuchung zum Auseinandergehen zu bewegen. Inzwischen war auf Anordnung des Staatsanwaltes der fragliche Israelite als des Mordes verdächtig verhaftet worden.
Hiermit haben wir ein reiches Material aus der Geschichte aufgehäuft, das uns aber auch in den Stand setzt, verschiedene Fragen zu beantworten, die gerade in der Gegenwart wieder eine besondere Wichtigkeit erlangt haben.
Zuvörderst wollen wir uns als die Hauptfrage vorlegen, welche Stellung die Kirche oder der Klerus, insbesondere die Päpste im allgemeinen den Juden gegenüber eingenommen haben.
Wenn wir die Geschichte fragen, wie die Päpste und der Klerus sich im allgemeinen den Juden gegenüber, in den Anklagen, die gegen sie erhoben wurden, in den Verfolgungen, die gegen sie ausbrachen, verhalten haben, so antwortet sie uns, daß die Päpste, als Vertreter des Klerus und der ganzen Kirche, in ihrem Verhalten gegen die Juden das Beispiel Jesu Christi und der Apostel stets nachgeahmt haben. Die Päpste haben das Unrecht gerügt, dessen die Juden sich etwa schuldig machten, und haben die Christen gegen sie in Schutz genommen; sie suchten aber auch ebenso die Juden zu schützen, wenn sie ungerechterweise verfolgt und mißhandelt wurden. Hierin sind die Päpste sich stets gleichgeblieben, wenn sie auch nicht selten
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)