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Seite:Die Kirche und Die Juden.djvu/51

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zum Vater hat, und daß unser Vater Papst Leo XIII. als Bischof von Perugia die von dem Vater Barnabas ins Leben gerufene „Darlehensbank der christlichen Barmherzigkeit“ gerade zu derselben Zeit den veränderten Zeitverhältnissen gemäß neu einrichtete, als Bürgermeister Raiffeisen im Westerwalde seine ersten Versuche mit jenen ländlichen Hilfs- und Wohlthätigkeitsvereinen machte, aus welchen die Darlehenskassenvereine in ihrer jetzigen Gestalt hervorgegangen sind. Hören wir was uns das Leobuch hierüber zu erzählen weiß!

„Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts predigte der Minoritenpater Barnabas von Terni in Perugia. Die Verarmung des Volkes, das durch ungeheure Zinsen, zumal von den Juden ausgesogen wurde, ging dem frommen Ordensmanne tief zu Herzen, und er bewog daher eine Anzahl reicher Bürger, ansehnliche Summen zusammenzuschießen, um daraus gegen mäßige Zinsen den Bedürftigen Anleihen zu gewähren. Der Vorschlag des armen Predigers fand allgemeinen Beifall, und so bildete sich die ‚Darlehensbank christlicher Barmherzigkeit, - Monte di Pietà‘. Das Beispiel Perugias fand auch in Orvieto und Viterbo und dann an zahlreichen anderen Orten Nachahmung, zumal als Papst Paul II. im Jahre 1476 die Bank von Perugia approbiert hatte; die Minoriten, insbesondere der selige Jakob della Marca und der selige Bernardin von Feltre, haben sich um die Ausbreitung dieser Institute eifrigst bemüht. Der Monte von Perugia und dessen Verwaltung waren im Laufe der Zeit in argen Verfall geraten; jetzt gab der Bischof Pecci demselben eine zeitgemäße Reorganisation und erneuerte damit zugleich das Andenken an die geschichtliche Thatsache, daß in seiner Diöcesanstadt das erste derartige Institut ins Leben getreten ist.“ [1]

Nun wollen wir auch von Raiffeisen hören, was er uns in seinem Buche „über die Darlehenskassenvereine als Mittel zur Abhilfe der Not der ländlichen Bevölkerung und auch der städtischen Arbeiter“, und über seine ersten Gründungen zu sagen weiß! Er schreibt:

„Der Verfasser verwaltete vom Jahre 1848 bis 1852 die Bürgermeisterei Flammersfeld im Westerwalde, einen rein ländlichen, ackerbautreibenden Bezirk . . . Obgleich die Bodenbeschaffenheit im allgemeinen günstig, und die Einwohnerzahl im Verhältnis zum Flächeninhalte nicht hoch war, herrschte bedeutende Geldnot. Sie äußerte sich hauptsächlich in dem bereits geschilderten, nachteilig wirkenden Viehhandel, und es kamen mehrere Fälle vor, wo Familien dadurch ruiniert wurden. Um dem Übelstande abzuhelfen, gründete der Verfasser im Jahre 1849 den Flammersfelder Hilfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte. Ungefähr sechzig der wohlhabendsten Einwohner des Bezirks übernahmen es, für die nötigen Geldmittel solidarisch zu haften . . . Im Jahre 1854 gründete der Verfasser zu Heddesdorf, wohin er im Jahre 1852 als Bürgermeister versetzt worden war, den sogenannten Wohlthätigkeitsverein, ebenfalls wieder aus den wohlhabendsten Einwohnern des fünf Pfarreien enthaltenden Bezirks. Um den sinkenden Wohlstand möglichst zu heben, hatte der


  1. Leobuch von Dr. Anton de Waal; Münster, Russel, 1878, Heft V., Seite 190.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/51&oldid=- (Version vom 31.7.2018)