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er sich auf dem Wege nach Damaskus zum Herrn bekehrt hatte. Er kann darum aus eigener Erfahrung hinsichtlich der Israeliten die Versicherung geben: „Wenn sie sich aber zu dem Herrn bekehren, wird die Binde weggenommen, denn der Herr ist Geist.“ (Ibid. 16.) Wenn die Israeliten, will der heilige Paulus sagen, sich zum Herrn Jesu Christo bekehren, dann werden sie klar erkennen, daß, wie Gott ein Geist ist, auch das Reich des Messias ein geistiges sein muß, in welchem die Menschen nicht an irdischen Gütern und sinnlichen Freuden, sondern an geistigen Schätzen, Gnaden und Tröstungen Überfluß haben werden. Nach diesen geistigen Gütern wird dann ihr Verlangen gerichtet sein, und sie werden anfangen, mit jenen Talenten zu wuchern, mittels deren man die Herrschaft über fünf, ja sogar über zehn Städte im Reiche des Messias erlangen kann. (Luc. 19.)

Es scheint, daß die Einsichtigeren unter den Juden der Gegenwart klar erkannt haben, wie die unersättliche Begierde nach den Erdengütern ihren Glaubensgenossen in der Vergangenheit schon so großes Leid gebracht, wie der Wucher schon so vielen Tausenden das Leben gekostet hat. Sie scheinen demnach von dem Verlangen beseelt zu sein, diese Quelle so vieler Verfolgungen zu verstopfen, und dem wucherischen Treiben ihrer Glaubensgenossen auch den Andersgläubigen gegenüber Einhalt zu thun.

Im Jahre 1885 sind die „Grundsätze der jüdischen Sittenlehre“ erschienen, nachdem dieselben von 350 Rabbinern in Deutschland und Österreich-Ungarn geprüft und bestätigt worden waren. Auch hatten 270 jüdische Juristen in Deutschland durch ihre Unterschriften bekundet, daß diese Sätze dem heutigen sittlichen Bewußtsein der Judenschaft entsprechen.

In dieser Sammlung der Grundsätze der jüdischen Sittenlehre, denen im Jahre 1891 auch die entsprechenden Belegstellen aus der heiligen Schrift und dem Talmud beigefügt wurden, findet sich nun gleich am Anfange folgendes Gebot: „Das Judentum gebietet: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst,“ und erklärt dieses alle Menschen umfassende Gebot der Liebe als Hauptgrundsatz der jüdischen Religion. Es verbietet daher gegenüber jedermann, gleichviel welcher Abstammung er sei, welcher Nation er angehöre, und zu welcher Religion er sich bekenne, jede Art von Gehässigkeit, Neid, Mißgunst und liebloses Verhalten; es fordert Recht und Redlichkeit und verbietet Ungerechtigkeit, insbesondere jede Unredlichkeit in Handel und Wandel, jede Übervorteilung, jede Benutzung – Ausbeutung – der Not, des Leichtsinnes oder der Unerfahrenheit eines anderen, sowie jeden Wucher und jede wucherische Ausnutzung der Kräfte anderer.[1]

Fast fühlt man sich versucht, zu glauben, diese schönen sittlichen Grundsätze seien Pflanzen aus dem Garten der Loge, und die Rabbiner und Juristen, die sie mit ihrer Unterschrift beglaubigten, seien Juden, die den Glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs mit der Verehrung des freimaurerischen unpersönlichen Weltbaumeisters vertauscht hätten, und infolgedessen der Synagoge der strenggläubigen


  1. Belegstellen zu den Grundsätzen der jüdischen Sittenlehre von Dr. D. Kristeller; Berlin, Preuß, 1891.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/58&oldid=- (Version vom 31.7.2018)