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Waren es nicht Kinder der Kirche, katholisch getaufte Christen, welche die gemeinsten Beschimpfungen, die niederträchtigsten Verleumdungen gegen den hochseligen Papst Pius IX. verbreitet, die Hand gegen den heiligen Vater und sein Besitztum erhoben, ihn vergewaltigt, seines Eigentums beraubt haben, und ihn jetzt noch in seinem Hause gefangen halten? Ist dieser Undank der Christen gegen den Vater der Christenheit nicht ein himmelschreiendes Verbrechen gegenüber dem Vergehen des Undankes, dessen sich römische Juden gegen den Papst schuldig gemacht haben? Daß aber nicht alle Juden mit dem Vorgehen ihrer Glaubensgenossen in Rom gegen den heiligen Vater einverstanden sein dürften, möchte aus dem Schreiben zu entnehmen sein, das Juden von Lyon an die israelitische Gemeinde in Rom gerichtet haben. In diesem Schreiben geben die Lyoneser Juden den römischen Juden den guten Rat, sich mit den Italianissimi nicht zu tief einzulassen, und den Zorn der Priester nicht herauszufordern, denen sie zu großem Danke verpflichtet seien; die Zeiten könnten sich ändern, und man habe vielleicht von den Priestern allein wieder Schutz zu hoffen. So giebt es dankbare Leute und undankbare bei den Juden wie bei allen Völkern, und auffallend wäre nur das eine, wenn das Judenvolk allein eine Ausnahme von der Regel machte.


IX.
Der Talmud.

Wenn wir die Grundsätze vollständig und klar darstellen wollen, nach welchen der Klerus und der katholische Christ sein Verhalten gegen die Juden einzurichten hat, müssen wir auch noch über den Talmud einige Worte sprechen. Ohne den Talmud ist das Judenvolk, seine Geschichte und sein Leben nicht zu verstehen. Wir wollen daher, um den Talmud etwas näher kennen zu lernen, uns von Kennern desselben, christlichen und jüdischen, einige Fragen beantworten lassen.

Wir sprechen auch von christlichen Fachmännern, die uns über den Talmud Aufschluß geben können, und das mit Recht. Wie es nämlich schon in den früheren Jahrhunderten unter den christlichen Gelehrten ausgezeichnete Talmudkenner gegeben hat, so fehlen dieselben auch in der Gegenwart nicht, und es ist eine ganz unbegründete Besorgnis des Dr. Hoffmann, Docent am Rabbinerseminar zu Berlin, wenn er in seinem Schulchan-Aruch meint, es dürften wohl kaum zehn Christen die von Rabbinern hebräisch geschriebenen Erklärungen zum Talmud verstehen;[1] mit mehr Grund dürften wir vielleicht befürchten, daß kaum fünf Juden die christliche Lehre vollständig kennen, denn Dr. Hoffmann selbst weiß nicht einmal, daß niemand sich selbst die christliche Taufe spenden kann.[2]

Wir werden daher gut daran thun, von christlichen und jüdischen Talmudkennern unsere Fragen über den Talmud uns


  1. Der Schulchan-Aruch und die Rabbiner über das Verhältnis der Juden zu Andersgläubigen von Dr. Hoffmann; Berlin 1885, Verlag der Expedition der Jüdischen Presse, S. 26.
  2. c. l. S. 70.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/78&oldid=- (Version vom 31.7.2018)