Juden, wie Most und andere Socialdemokraten zu den Katholiken gerechnet werden. Und giebt es denn nur jüdische Wucherer? Giebt es nicht auch Christen, die vielleicht noch schlimmerer Halsabschneider sind als die Semiten? Mir fällt da unwillkürlich ein altes Geschichtchen ein. In ein Kloster kam von Zeit zu Zeit ein Mann und brachte ein kleines Almosen; bei dieser Gelegenheit wiederholte er jedesmal die Bitte, die Prediger möchten recht scharf und eindringlich und recht oft gegen den Wucher ihre Stimme erheben, denn nichts sei abscheulicher und gefährlicher und verderblicher als der Wucher. Und was hat sich später herausgestellt? Dieser Mensch war selbst der ärgste und gefährlichste Wucherer, der nur deshalb gegen den Wucher gepredigt haben wollte, damit die anderen Wucherer sich bekehren sollten, und er dann ohne Konkurrenten sein verderbliches Geschäft betreiben könnte. Fast möchte es scheinen, als ob auch unter den Antisemiten gar manche nur deswegen gegen die jüdischen Wucherer sich ereifern und dieselben aus dem Deutschen Reiche vertrieben wissen wollen, weil sie ohne die lästige jüdische Konkurrenz ihre sauberen Geschäfte mit um so größerem Erfolg betreiben könnten. Ich möchte fast glauben, daß man von ihnen befürchten müßte, was der heilige Bernhard von den Judenkonkurrenten seiner Zeit befürchtete: „Sie möchten, wenn keine Juden mehr da sind, noch schlimmer jüdeln als die Juden.“[1]
Und warum will man nur das jüdische auf die Irreführung und Entsittlichung des Volkes hinarbeitende Zeitungswesen bekämpfen? Giebt es nicht auch ein höchst verderbliches, auf die Irreführung und Entsittlichung des Volkes hinarbeitendes Zeitungswesen, das unter deutscher Flagge segelt?
Wenn ich darum aufgefordert werde, mitzukämpfen gegen die verderbliche Presse, gleichviel ob sie von beschnittenen oder unbeschnittenen Preßbengeln bedient wird; wenn ich mithelfen soll, daß die unglücklichen Gesetze wieder abgeschafft werden, die das Großkapital, den Wucher gezüchtet und großgezogen, den Handelsstand geschädigt, dem Handwerk und Gewerbe den goldenen Boden entzogen haben; wenn es sich darum handelt, Rechtsschutzvereine, ländliche Darlehenskassen und andere Vereine ins Leben zu rufen, die insbesondere den kleinen Mann aus den Klauen der beschnittenen und unbeschnittenen Blutsauger befreien sollen, dann bin ich mit Herz und Mund dabei und scheue vor keinem Opfer zurück, um diese schönen, volksfreundlichen Zwecke zu erreichen. Und auch der echte Talmudjude ist dabei; denn nach der Talmudlehre ist der Marktpreis dermaßen zu normieren, daß dem Verkäufer nur ein Sechstel des Produktionspreises als Nutzen gestattet wird, und damit die Lebensmittelpreise nicht verteuert werden, soll der Produzent seine Erträgnisse selber zu Markte bringen, Aufkäufe durch Zwischenhändler sind verboten.[2] Aber nur Ausnahmegesetze gegen die Juden zu machen, bei denen sich ihre unbeschnittenen Konkurrenten ins Fäustchen lachen, dazu kann ich mich ebensowenig herbeilassen wie zum Schmieden von Ausnahmegesetzen gegen katholische Ordensleute oder auch nur gegen die Socialdemokraten.
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/91&oldid=- (Version vom 31.7.2018)