daran hat ja Gott selbst die Verheißung seines Segens geknüpft. Wollte Gott, daß alle Christen mit den gläubigen Juden im Fleiß und in der Sparsamkeit, in der Heilighaltung des Sonntags und in der Erfüllung des vierten Gebotes wetteiferten, dann würden bald gar viele Klagen verschwunden, viel Elend würde bald beseitigt sein.
Doch selbst der Fall angenommen, daß die Antisemiten ihr Ziel erreichen, und daß den Juden in Deutschland das Bürgerrecht wieder genommen wird, haben sie damit auch die verderbliche Thätigkeit der beschnittenen Schwindler und Betrüger unmöglich gemacht? Keineswegs; nach den Erfahrungen, die uns aus den früheren Jahrhunderten zu Gebote stehen, können die Wucherer auch ohne Bürgerrecht ihr schändliches Gewerbe flott betreiben. An den Dummen, die sich von ihnen bewuchern lassen, wird es niemals fehlen. Giebt es doch, leider Gottes, noch Bauern genug, die lieber heimlich zu einem beschnittenen oder unbeschnittenen Wucherer gehen, als daß sie einem Darlehenskassenverein als Mitglieder beitreten und sich von diesem ein Darlehen geben lassen.
Man wird also, wenn man den letzten Zweck der Antisemiten erreichen will, die Juden aus Deutschland vertreiben müssen, und was wird die Folge ihrer Vertreibung sein? Sie werden wieder zu uns zurückkehren, wie die Erfahrungen der Vergangenheit ebenfalls beweisen. Die Juden sind aus England vertrieben worden, und sind wieder dahin zurückgekehrt; die Juden sind aus Frankreich, Spanien, Portugal, aus dem Königreich Neapel vertrieben worden, und sind wieder dorthin zurückgekehrt; sie sind aus Frankfurt a. M., Worms, Wien und anderen Städten vertrieben worden, und sind wieder dorthin zurückgekehrt; sie sind in früheren Zeiten auch aus Rußland schon vertrieben worden, wie sie gegenwärtig wieder aus Rußland ausgewiesen sind; und wie sie früher nach Rußland wieder zurückgekehrt sind, werden sie auch nach dieser Ausweisung wieder nach Rußland zurückkehren, ja, man hört bereits jetzt schon, wo sie eigentlich noch unterwegs sind, wieder Stimmen, welche ihre Zurückberufung wünschen. Nach einem Kiewer Berichte des Ezas beschlossen die christlichen Fabrikanten des Moskauer Bezirks an die Regierung eine Eingabe, welche die Notwendigkeit betont, im Centrum des Handels und der Gewerbe den Juden als den unentbehrlichen Vermittlern des dortigen Handels mit den westlichen Gouvernements den ferneren Aufenthalt zu gestatten. Es kann ja dies auch nicht anders sein, solange Gottes Wort nicht aufgehoben wird, daß die Juden unter allen Völkern zerstreut sein müssen.
Aber könnten denn die Juden nicht nach Palästina heimkehren und ihren alten jüdischen Staat wieder aufrichten? So haben schon viele Antisemiten gemeint, und auch andere Leute haben das gewünscht. Auch Professor Dr. Rohling meint: „Es würde sich für Juda der Mühe lohnen, was Julian der Apostel versuchte, noch einmal zu versuchen. Juda hat Macht, hat Geld, es regiert die Fürsten; auf also, bauet den Tempel, und wenn das Werk gelingt, so ist die Weissagung des Nazareners aufgehoben, seine Gottheit eitler Wahn, und wir alle wollen Juden werden.“[1]
- ↑ c. l. 71. Anmerk.
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/93&oldid=- (Version vom 31.7.2018)