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Arbeiter unzugänglich, und so mußte man, weil man in diesem Feuer so hartnäckigen Widerstand fand, von der ganzen Unternehmung abstehen.“[1] Wie ein zweiter Cyrus war Julian den Juden erschienen, aber ihre Freude über seine Einladung zur Rückkehr nach Jerusalem und zum Tempelbau war nur von kurzer Dauer gewesen; wehmütigen Abschied nehmend von den Trümmern des Tempels verließen sie Palästina, um sich wieder unter den Völkern zu zerstreuen.

Noch einmal ließen viele Juden sich von einem neuen Moses bethören, einem falschen Propheten auf der Insel Cypern, der alle dort wohnenden Juden überredete, er werde sie wie der erste Moses sicher durch das Meer und ins gelobte Land führen. Tausende folgten ihm und fanden – es war im Jahre 432 – wie ehemals die Ägypter in den Wellen den Tod.

Nach solchen schmerzlichen Enttäuschungen werden die Juden der Einladung Dr. Rohlings gewiß keine Folge leisten, sie werden vielmehr geduldig ausharren, bis sie von Gott selbst aus der Zerstreuung wieder heimgerufen werden. Unterdessen wird sich bei den Juden wie bei den Christen allmählich die Scheidung der Geister vollziehen, und wenn die Geister sich völlig in Gottgläubige und Ungläubige geschieden haben, wird der letzte von dem Seher des Neuen Bundes, dem heiligen Johannes, in seiner geheimen Offenbarung geweissagte Kampf zwischen Christ und Antichrist zum Ausbruch kommen. In diesem Kampfe werden die Überbleibsel des gläubig gebliebenen Judenvolkes, die durch Tugend, Gottesfurcht und Bruderliebe die Ankunft des messianischen Reiches zu beschleunigen sich bestreben, auf der Seite der Christen stehen, und nach dem für dieselben siegreichen Ausgange des großen Entscheidungskampfe werden vielleicht die Juden nach Palästina ziehen, um an heiliger Stätte ein glänzendes Siegesfest zu feiern, aber nicht in dem Salomonischen Tempel, der nie mehr aus seinen Trümmern wieder erstehen wird, sondern in der Auferstehungskirche auf dem Kalvarienberge, wo sie dem so lange Verkannten endlich ihren Dank abstatten werden dafür, daß er einst am Kreuze hängend für seine Feinde und Mörder gebetet und seinen himmlischen Vater um Verzeihung für sie angefleht hat. Dem himmlischen Vater werden sie danken, daß er endlich die Binde weggenommen hat, die so lange auf ihren Herzen lag.

Gerade in unseren Tagen war den Juden eine passende Gelegenheit gegeben, sich in Palästina wieder anzusiedeln. Viele der aus Rußland vertriebenen Juden wollten in Palästina ihre alte Heimat wieder aufsuchen und sich dort niederlassen, aber der Millionär Hirsch und andere wohlhabende Juden haben es verhindert, indem sie ihren Glaubensgenossen, die zur Auswanderung aus Rußland genötigt wurden, in Amerika ein Gebiet zur Ansiedelung erworben haben.

Bei dieser Gelegenheit hat sich auch wieder einmal der Zusammenhalt der Juden, den die Antisemiten ihnen zum Vorwurf machen, aber freilich in einer ganz lobenswerten Weise kundgegeben. Die reichen Juden haben Millionen zur Unterstützung ihrer armen Glaubensbrüder


  1. Ammianus Marcellinus von Joh. Ang, Wagner; Frankfurt a. M., Hermann, 1793, Bd. II., S. 156.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/95&oldid=- (Version vom 31.7.2018)