Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie im erkenntnistheoretischen Zusammenhange des relativistischen Positivismus, Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, 14. Jahrgang | |
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Transformationsgleichungen aus der allgemeinen mathematischen Formulierung des Relativitätsprinzips folgt und daß dem heutigen Stande der Physik entsprechend ganz naturgemäß ein in dieser Form enthaltener Faktor dieselbe Funktion der Lichtgeschwindigkeit ist, die eben in der Einsteinschen Relativitätstheorie auftritt.
Ob es gelingen wird, angesichts der zu erhoffenden Versuche über Interferenz von Licht aus irdischen und aus kosmischen Quellen die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit aufrecht zu erhalten, das ist eine Frage, an der die Erkenntnistheorie nicht in erster Linie mit interessiert ist. Ihr liegt vielmehr weit vor allem anderen an der entschiedenen und konsequenten Durchführung des Relativitätsprinzips. Und selbst wenn dieses wegen zu großer Schwierigkeiten, heute schon alle bekannten Tatsachen damit zu vereinigen, von den Physikern wieder verlassen werden sollte, so würde es doch erkenntnistheoretisch von der größten Wichtigkeit sein, daß eine solche Theorie auftreten und eine solche Herrschaft über führende Geister gewinnen konnte. Denn darin liegt ein starkes Unterpfand dafür, daß über kurz oder lang mit dem metaphysischen Vorurteil vom absoluten Raume und der absoluten Zeit doch endgültig wird aufgeräumt werden. Und das wäre nicht nur für die naturwissenschaftliche Erkenntnis von sehr großer Bedeutung.
9. Nun wollen wir, wie angekündigt, noch einen bedeutungsvollen Punkt ins Auge fassen.
Das Relativitätsprinzip hebt nicht nur die Wichtigkeit des Standpunktes überhaupt ins Bewußtsein, von dem aus man die Vorgänge darstellt, sondern sagt auch: es gibt für die theoretische Einsicht keinen ausgezeichneten Standpunkt — kein ausgezeichnetes Raum-Zeit-System —, von dem aus die Natur betrachtet werden kann; jeder Standpunkt ist jedem anderen prinzipiell gleichberechtigt.
Jedem Körper kommen also gleichzeitig — d. h. für jeden beliebigen Zeitpunkt irgend eines der in gegenseitiger gleichförmiger Translation begriffenen Bezugssysteme — mit gleichem Recht unbegrenzt viele Gestalten zu und jedem momentanen Ereignis unbegrenzt viele Uhrangaben der Zeit, zu der es eintrat, d. h. auch unendlich viele Einreihungen in den folgezeitigen Zusammenhang aller Ereignisse.
Joseph Petzoldt: Die Relativitätstheorie im erkenntnistheoretischen Zusammenhange des relativistischen Positivismus, Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, 14. Jahrgang. , Braunschweig 1912, Seite 1062. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Relativit%C3%A4tstheorie_(Petzoldt_1912).djvu/8&oldid=- (Version vom 12.6.2024)