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dass die Vorarbeiten selbst meist auf nur unvollständig gekanntem Material beruhen, und dass man demnach ihre Ergebnisse nicht als abschliessend betrachten darf. Irrtümer sind nicht ausgeblieben, wie denn auch nicht alle bestehenden Varianten erkannt worden sind. So ergeben sich denn auch bei Posse Lücken, die wenigstens teilweise vielleicht zu vermeiden gewesen wären, jedenfalls aber in Hinsicht auf die uneingeschränkte Wertschätzung seines Werkes bedauerlich sind. Einige Nachträge zu den Siegeln Salischer Kaiser, die entweder bei der Bearbeitung der Diplome für die MG.-Ausgabe oder sonst zu unserer Kenntnis gekommen sind, sollen diese Lücken wenigstens für das 11. Jh. ausfüllen helfen. So findet sich das von Bresslau[1] mit 2h bezeichnete Siegel Konrads II. (Posse Taf. 12, 4) nicht nur auf Stumpf, Reg. 1900 (DK. II. 47), sondern auch auf St. 1884 (DK. II. 32), und vielleicht befand es sich der überlieferten Zeichnung nach auch noch auf dem Magdeburger Diplom St. 1874 (DK. II. 22). Aber auch ein ganz neuer Typus hat sich wenigstens ein einziges Mal an dem Salzburger Diplom St. 1961 (K. II. 108; Orig. im Staatsarchiv zu Wien) noch gefunden, er nähert sich in der Darstellung von Kopf und Krone dem vierten Siegel Konrads (Posse Taf. 13, 2), die Attribute stimmen dagegen mit dem dritten (Posse Taf. 12, 5. 13, 1), die Art der Anbringung der Legende schliesslich mit dem fünften und sechsten Siegel Konrads überein. Schon dadurch wird die Echtheit wohl zweifellos, und in der demnächst vollendeten Ausgabe der Diplome Konrads II. ist daher das Siegel mit 3b bezeichnet worden. Eine Abbildung in natürlicher Grösse nach dem mir zur Verfügung stehenden Gipsabguss veranschaulicht das gesagte[2].

Auch zu den Siegeln Heinrichs III. ergeben sich Nachträge[3]. Hatte Bresslau die erste (Königs)-Bulle dieses


  1. Vgl. dessen Zusammenstellung der Siegel der Salischen Kaiser im N. Archiv VI, 541 ff.
  2. Vgl. die Tafel sub 1. Wenn ich die Abbildungen hier entgegen dem oben als wünschenswert bezeichneten Prinzip nicht direkt nach den Originalen gebe, so geschieht das, weil die seiner Zeit von mir, ohne die Absicht sie zu publizieren, gemachten resp. erworbenen Abgüsse hinreichend scharf sind, um alles wesentliche deutlich erkennen zu lassen. – Für die Bewilligung der beigegebenen Tafel bin ich Herrn Greheimrat Prof. Dr. O. Holder-Egger zu lebhaftem Dank verpflichtet.
  3. Eine interessante dieses Gebiet berührende Vermutung ist von K. Brunner, Das Deutsche Herrscherbildnis von Konrad II. bis Lothar von Sachsen (Leipzig 1905) S. 27, N. 3 ausgesprochen worden. Er meint, das erste Kaisersiegel Heinrichs III. (Posse Taf. 15, 1) beruhe entweder auf mechanischer [260] und danach abgeänderter Reproduktion des zweiten Königssiegels (Posse, Taf. 14, 2) Heinrichs oder stelle geradezu den in der Legende und sonst umgearbeiteten älteren Originalstempel dar. Es wäre das der erste Fall dieser Art, der von einem Königssiegel bekannt geworden ist, und diese Vermutung klingt daher nicht von vorneherein wahrscheinlich. Trotzdem und auch trotz der mir unbegründet erscheinenden Meinung Kemmerichs, Porträtplastik S. 81, dass auf dem Kaisersiegel Heinrich einen stärkeren Schnurrbart aufweise, bin ich nach genauem Vergleich zu dem Ergebnis gekommen, dass wohl die zweite Alternative zutrifft, und dass also tatsächlich das Königssiegel zu einem Kaisersiegel umgearbeitet worden ist, indem man die rechte Hand mit einem neuen Attribut (dem Reichsapfel) versah, aber Spuren des Scepterstabes auf dem Arm nicht völlig beseitigte, und ferner die Legende in der Weise abänderte, dass ‘HEINRICVS’ stehen blieb, das folgende ‘TE’ (von ter-tius) aber getilgt und durch das eng gedrängte ‘DIG’ ersetzt wurde, das sich dann an das stehen gebliebene R anschloss. Der zweite Teil der Umschrift wurde darauf ganz erneuert. – Vielleicht findet sich auch sonst noch ähnliches, wenngleich selbst eine weitgehende Uebereinstimmung in Form und Massen allein noch nicht zu einer solchen Annahme berechtigen dürfte. – In der französischen Kanzlei hat man wenigstens in zwei Fällen das Siegel des Vorgängers für den Nachfolger durch blosse Abänderung der Legende hergerichtet, so ist für Lothar (954–86) zunächst das Siegel Ludwigs IV. (vgl. Halphen-Lot, Actes de Lothaire et Louis V, Einleitung S. 50) und für Philipp I. (1060–1108) dasjenige Heinrichs I. (vgl. Prou, Actes de Philippe I, Einleitung S. 128) wieder verwendet worden.
Empfohlene Zitierweise:
Hans Wibel: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige (Rezension). Hahnsche Buchhandlung, Hannover und Leipzig 1910, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_K%C3%B6nige_(Rezension).pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)