Gustav Schaefer: Die geschichtliche Entwickelung des Thierschutzes | |
|
In Gegenden, wo das Vieh gut abgewartet wird, giebt es stets die besten und nahrhaftesten Producte (Fleisch, Milch, Eier u. s. w.) Das sind aber alles Dinge, die dem Landmann Geld einbringen und dessen Wohlstand fördern. Und der grosse Nutzen, den ein verständiger Schutz unserer heimischen Vogelwelt, als Insectenvertilger, für die Landwirthschaft gewährt, lässt sieh schwer beziffern.
Wie bedeutend sind endlich die Vortheile, die sich aus praktischen Thierschutz-Geräthschaften und -Einrichtungen ergeben. Dahin gehören Geschirre, welche die Zugthiere schonen, Fahrzeuge, die den Zug erleichtern, praktische Fütterungs- und Stall-Einrichtungen u. s. w. Auch die Vorrichtungen zur Winterfütterung unserer heimischen Singvögel, die von Thierschützern eifrig betriebene Aufstellung von Nistkästen und die vielfachen Apparate zur Heilung erkrankter oder verletzter Hausthiere sind hierher zu rechnen. Endlich können nicht ausser Betracht bleiben die verbesserten Schlachtapparate, welche, da sie die Todesschmerzen der Schlachtthiere gegen früher ausserordentlich abkürzen, nicht nur im humanen Interesse freudig zu begrüssen sind, sondern sich auch insofern recht vortheilhaft erweisen, als das Fleisch der mit den neuen Schlachtapparaten getödteten Thiere in Folge des raschen Verendens derselben qualitativ weit besser und länger frisch zu erhalten ist, als das Fleisch von langsam zu Tode gequälten Schlachtthieren.
Auf alle diese Dinge richten aber die Thierschutz-Vereine unausgesetzt ihr Augenmerk und sie begünstigen und unterstützen auch dadurch die Thierpflege nach jeder Richtung hin.
Trotzdem wird die Nothwendigkeit besonderer Thierschutz-Vereine noch vielfach bezweifelt. Wo die Gründung eines solchen Vereins in Anregung gebracht wird, hört man häufig den Einwurf: „Bleibt uns mit Eurem Thierschutz vom Leibe; treibt lieber erst Menschenschutz und dann Thierschutz!“
Ja freilich ist der Menschenschutz eine nothwendige und zugleich eine schöne Sache; aber, so darf man fragen, haben wir nicht bereits Gesetze, welche die wichtigsten Güter des Menschen, soweit es eben menschlicher Einsicht und menschlicher Macht möglich ist, schirmen? Giebt es nicht ungezählte Anstalten und Vereine, deren Thätigkeit lediglich der Wohlfahrt des Menschen zu Gute kommt? Und darf der Hilfsbedürftige da, wo kein Gesetz Hilfe gewähren kann und wo kein Verein zur Linderung einer Bedrängniss vorhanden ist, nicht doch auf den Beistand fühlender Menschen rechnen.
Gustav Schaefer: Die geschichtliche Entwickelung des Thierschutzes. Verlag des Vereins zum Schutze der Thiere, Dresden 1889, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_geschichtliche_Entwicklung_des_Thierschutzes.pdf/22&oldid=- (Version vom 5.9.2024)