zwar im Abstände r − Δr der Massen, wo Δr bei wachsendem r positiv, bei abnehmendem r negativ ist, das Potential sich in der im umgekehrten Verhältnis zu r − Δr stehenden Grösse zu bilden anfangen, weil sonst nicht einzusehen wäre, wie sich dieses Verhältnis bei der Ruhe der Massen zu erfüllen vermöchte. Aber es gelangt nicht sogleich zur Wirkung an m, da der es bedingende Vorgang von der anziehenden Masse ausgeht und Zeit braucht, um bis zur angezogenen Masse fortzuschreiten. Selbstverständlich findet ein Fortschreiten der gedachten Art auch von der angezogenen zur anziehenden Masse statt, ähnlich wie zu jeder Wärmeausstrahlung zwischen zwei Körpern eine Gegenstrahlung gehört. Das bei dem Abstände r − Δr von der anziehenden Masse ausgehende Potential bethätigt sich also in m erst zu einer um Δt späteren Zeit, nachdem der Abstand gleich r geworden ist. Zweitens würde das Potential wohl bei Fernwirkung unmittelbar in seinem vollen Betrage erscheinen; sind jedoch Raum und Zeit in der vorausgesetzten Art mit im Spiel, so hat es auch eine gewisse Dauer nötig, damit es, bei m angelangt, dieser Masse sich mitteile, d. h. den ihm entsprechenden Bewegungszustand von m hervorrufe. Denn nur die Annahme von Fernwirkungen lässt Unstetigkeit in den Erscheinungen zu; ihre Ersetzung durch die Annahme von Nahwirkungen hat vor allem den Zweck, die sich an den übrigen physikalischen und chemischen Veränderungen bewährende Stetigkeit auch in die Auffassung der Gravitation einzuführen. Wie sich daher beim Stosse die Stosskraft aus succ. Elementarstössen zusammensetzt, so geschieht die Übertragung des als Potential anlangenden Vorganges auf m durch schnell aufeinander folgende Differentialpotentiale. Wenn die Massen ruhen, geht die Bewegung des Potentials mit ihrer eigenen Geschwindigkeit an m vorüber; dann bemisst sich sein auf m übertragener Wert nach dem umgekehrten Verhältnis zum Abstände. Wenn die Massen aufeinander zueilen, verringert sich die Zeit der Übertragung, mithin der übertragene Potentialwert im Verhältnis der eigenen Geschwindigkeit des Potentials zu der aus ihr und der Geschwindigkeit der Massen bestehenden Summe, da das Potential in Bezug auf m diese Gesamtgeschwindigkeit hat.
Das Potential bewegt sich ausser mit seiner Geschwindigkeit c noch mit der Geschwindigkeit der anziehenden Masse, von der es ausgeht. Der Weg r − Δr, den die beiden sich entgegenkommenden Bewegungen, die des Potentials und die der angezogenen Masse, in der Zeit Δt zurücklegen, beträgt daher
während r = cΔt ist. Also erhält man für den Abstand, bei dem sich das Potential zu bilden anfängt, und dem es umgekehrt proportional ist,
Paul Gerber: Die räumliche und zeitliche Ausbreitung der Gravitation. B.G. Teubner, Leipzig 1898, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_r%C3%A4umliche_und_zeitliche_Ausbreitung_der_Gravitation.djvu/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)