Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Da nahte von der Quelle
Sie liess mich auf der Schwelle
Und küsste ihn wie mich.
Ich zürnte sehr, doch fiel mir ein,
Das muss
Klage.
Schlaffe Lider, welke Wangen,
Graue, dünngesäte Haare
Bilden schon seit Adams Zeiten
Das Gefolg’ der reifern Jahre.
Will ich ohne Murren tragen;
Nur das Eine trifft mich härter
Als ein Dutzend Altersplagen:
Dass der Frauen, die mir hold sind,
Während jetzt die Ehemänner
Immer liebenswürd’ger werden.
Brautnacht.
Im Schlafgemach, entfernt vom Feste,
Sitzt Amor dir getreu und bebt,
Dass nicht die List mutwill’ger Gäste
Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Vor ihm der Flammen blasses Gold;
Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer,
Damit ihr recht geniessen sollt.
Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde,
Wie glühst du nach dem schönen Munde,
Der bald verstummt und nichts versagt.
Du eilst um alles zu vollenden
Mit ihr ins Heiligtum hinein;
Wird wie ein Nachtlicht still und klein.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/114&oldid=- (Version vom 31.7.2018)