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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/159

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Verschiedene: Die zehnte Muse


15
„Die Frage,“ sprach der Gott, „ist einer Antwort wert.

Ihr Götter gebt mir Rat, durch welches Mittel
Wird auf der Unterwelt dies Weib geehrt?“

Minerva sprach: „Das beste Mittel,
O Vater Zeus, ist wohl – ein leerer Titel;

20
Denn heutzutage will durch Schein

Das Publikum getäuscht stets sein.
Ein Weiser trägt den Stern in sich, doch diese Fratze
Wird nur bemerkt, wenn sie ihn zeigt am Latze.“

P. F. Weddigen.





Ballade vom verkauften Assessor.

In Bozen war’s, vor’m schwarzen Greifen,
     Am Platze, wo Herr Wolter steht,
Zur Zeit, da schon die Kirschen reifen,
     So Mitte Mai – und abends spät.

5
Die grellen Bogenlampen strahlten,

     Fahlgelb erschien der Mond vor Neid –
Die Gäste stunden auf und zahlten,
     Dieweil um zehn Uhr Schlafenszeit.

Nur einer schnippelt mit dem Messer

10
     An seinem Käse noch herum,

Aus Luckenwalde ein Assessor,
     Und schaut ins Bierglas stier und stumm.

Und ihm zur Seite sitzt die Gattin –
     Auch aus der Gegend, wie es scheint –

15
Erst ehegestern nämlich hatt’ ihn

     Des Himmels Segen ihr vereint.

Allein kein taubenhaft Gebahren
     Zeugt von so jungem Ehebund –
Sie sind ja Nacht und Tag gefahren,

20
     Das bringt die Stimmung auf den Hund.


Ihn kann man etwas üppig finden,
     Ihr mangelt jeder Fülle Spur;
Es unterscheidet vorn und hinten
     Nur wenig sich in der Kontur.

25
Die Augen grau, der Mund gewöhnlich,

     Kinn flüchtig und die Nase breit,
Der ganze Stil höchst unpersönlich,
     Von selbstbewusster Nichtigkeit.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)