Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Armenball.
Der Saal erglänzt in hellem Kerzenschein,
Am Eingang steht: »Ein Ballfest für die Armen«.
Der Schwarm der Gäste wogt in bunten Reih’n,
Der Reichtum zeigt sich heute voll Erbarmen.
Sie alle wollen Not und Elend mildern;
Von Diamanten leuchtet jed’ Geschmeid,
Es glänzt der Prunk von stolzen Ahnenschildern.
Da tritt in Lumpen und vom Hunger fahl
Und weisen rauh und barsch ihn aus[WS 1] dem Saal –
Am Eingang steht: »Ein Ballfest für die Armen!«
Mene Tekel.
Sitt’ge Mienen, weisse Schminke,
Greller Diamantenglanz,
Halb verhüllte üpp’ge Glieder
Und ein vornehm-freier Tanz.
Auf den Lippen lockern Scherz
Und französisch-seichte Phrasen,
In der Brust ein leeres Herz;
Schlaffe Züge, welke Lippen
Pferd’ und Hunde ihre ganze
Wissenschaft und Passion.
Und das lebt so geistverachtend,
Selbstgenügsam sorglos hin,
Mene tekel upharsin![WS 2]
Anmerkungen (Wikisource)
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/287&oldid=- (Version vom 31.7.2018)