Verschiedene: Die zehnte Muse | |
|
Da stöhnt der Mann der Tochter zu:
„Geh, Grete, nun versuch’s auch du!“
Das Elend, diesmal grinsend spricht’s:
„Komm immer her, ich tu’ dir nichts!“
Das Elend seid’ne Kleider nahm
Und zog sie an dem Mägdelein
Und führte sie zur Stadt hinein
Und gab ihr Geld und Glanz und Pracht.
Das Elend aber spricht zu ihr:
„Lach’ nicht zu früh, ich bleib’ bei dir!“
Ein Balg.
Die alte Frau hat ein hartes Gesicht,
Doch kluge, sanfte Augen,
Die wenig mehr beim Pfenniglicht
Und nicht zum Weinen taugen.
Verlassner als die Armen,
Bat weder Herren noch Gesind
Um Futter und Erbarmen.
Sie griff fest zu und schaffte stramm
Dass nie sie Unverdientes nahm,
Erfreut das Weib noch heute.
Sie zeigt auch jetzt mit Bauernstolz
Erdarbte Talerscheine:
Meine ungetrunkenen Weine …
Die sind mein ungegessnes Brod,
Auf jedem steht geschrieben:
Ein Alter ohne Schand’ und Not …
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/294&oldid=- (Version vom 16.11.2019)