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Krieg war das Element aller freien Germanen. Nichts führte ihre Hand lieber, als den Streitmeissel (framea) und den Schild. Aus jedem der 100 Gauen, sagt Cäsar, welche die Sueven bewohnen, ziehen abwechselnd 1000 Mann als Krieger aus, 1000 bauen daheim das Feld. Während der Friedensruhe ergeben sie sich, um ihre Kraft frisch zu erhalten, zum Theil auch, um Nahrung und Kleidung zu gewinnen, der Jagd. Die weiten, den Römern furchtbaren Wälder Germaniens nährten damals noch manches, später verschwundene Wild, wie Auerochsen, Elenthiere, Rennthiere, Bären und Wölfe. Die Sueven lebten vorzugsweise von der Viehzucht, hielten auch Geflügel, zumal Gänse; trieben aber nichtsdestoweniger auch Ackerbau, so daß ihre Culturstufe eine Art Mittelzustand zwischen den Nomaden und Ackerbauern genannt werden kann. Eigenen Boden besaß Niemand. Jedem wurde alljährlich sein Antheil am Gemeindebauland angewiesen. Die Wohnung schlug Jeder an der Stelle auf, von wo aus er seine Güter am besten bewirthschaften konnte. Es waren einfache, leicht wieder abzubrechende Hütten von übereinander gelegten Balken oder dichtem Flechtwerk; darüber ein Strohdach. Bei dem geringen Aufwand für Wohnung und Boden verließ man seinen Aufenthalt leicht, um andere, fruchtbare Wohnsitze zu suchen und Letzteres gibt auch Cäsar als Grund an, warum die Sueven unter Ariovist ausgezogen seien. „Land um Kriegsdienst“ war das Losungswort, das die deutschen Völker fortbewegte *)[1].

Von ihren Sklaven waltete Jeder in eigener Wohnung, am eigenen Herde. Der Herr legte ihm, wie einem Lehensmanne, eine Abgabe an Getreide, Vieh oder Kleiderstoff auf. Weiter ging die Unterthänigkeit nicht (Tacit. German. Cap. 25.). Städte gab es bei ihnen nicht. Abgesondert und zerstreut siedelten sie sich an, wie eine Quelle, eine Flur, ein Gehölz einlud. Darum auch keine Dörfer mit verbundenen und zusammenhängenden Gebäuden. Die Sorge für Haus und Heerd und Feld blieb den Frauen, den Greisen und den Unvermögendsten der Familie, während die Streitbarsten, wenn es keinen Krieg gab, der Jagd nachgiengen oder sich dem Müßiggang überließen.

Gepflanzt wurde Gerste, Weizen, Roggen, Haber. Aus Gerste und Weizen brauten sie das beliebte Bier. Die zunächst am Rheine wohnten, kauften auch Wein. Ihre Kost war einfach: Feldobst, frisches Gewild, geronnene Milch, Haberbrei. In Zeiten des Mangels nährte man sich von Kräutern. Nur im Trinken zeigte sich nicht dieselbe Mäßigkeit. Tag und Nacht fortzuzechen war Keinem Schande **)[2]. Sonst weiß der Römer Tacitus viel von ihrer Keuschheit, ehelichen Treue, Gastfreundlichkeit, Aufrichtigkeit und Biederkeit zu rühmen, mit den Worten schließend: mehr gelten dort gute Sitten, als anderswo gute Gesetze. Cap. 19.

Von ihrer Religion sagt Tacitus: „sie halten es der Größe der Himmlischen nicht angemessen, sie in Wände einzuschließen, oder irgend in Gestalt menschlichen Antlitzes abzubilden. Haine und Gehölze weihen sie und rufen unter göttlichen Namen jenes unerforschliche Wesen an, das nur ihr ehrfurchtsvolles Gemüth erkennt.“ – Die vornehmsten ihrer Gottheiten, die sie sich wohnend in den rauschenden Blättern des eingefriedeten Haines, oder thronend auf dem belaubten Wipfel eines heiligen Baumes dachten, waren Wuotan (nordisch Othin), der Allmächtige, Allschaffende,


  1. *) v. Stälin, württ. Gesch. I. S. 17.
  2. **) Vgl. Appian, röm.-celt. Gesch. Übers. 71. S. 86. und Bürger-Kriege II. Cap. 64. Übers. S. 1122.