Seite:Dillenius Weinsberg 009.png

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Bußen, mit welchen Verbrechen gegen die Kirche und ihre Diener gesühnt werden müssen, zeugen für den hohen Rang, welchen sie im Staate einnahmen. Der Bischof wird in dieser Beziehung mit dem Herzog auf Eine Stufe gesetzt (tit. 12.), und selbst der Pfarrer hatte über das Doppelte, der Diacon und Regularmönch nahezu das Doppelte vom Wergeld sogar eines Adeligen.

Was die Lebensweise in dieser Periode betrifft, so ergibt sich aus dem alemannischen Gesetz, daß hinsichtlich der Standesverhältnisse die Zahl der Knechte und Leibeigenen beträchtlich größer war, als die der Freien. Sie mußte natürlich immer mehr zunehmen, je mehr Freie durch die ewigen Kriege, von welchen die Knechte und Leibeigenen ausgeschlossen waren, umkamen, oder auch nach der Vorschrift der Gesetze wegen begangener Verbrechen in die Knechtschaft herabgestoßen wurden.

Merkwürdig ist in dem alemannischen Gesetz die Hochstellung der Frau, indem ein ihr zugefügtes Unrecht doppelt so schwer gebüßt werden mußte, als das an einem Mann begangene, während in den fränkischen Gesetzen Mann und Frau gleich standen.

Die reichbegüterten Alemannen hatten Seneschalle, welche die Aufsicht über ihre Dienstleute führen mußten und besondere Aufsichtspersonen, wie Marschälle etc. für ihre Pferde und ihr Vieh (tit. 79.). Der unfreie Bauer bepflanzte mit seiner Familie das ihm zugewiesene Grundstück, worauf er seine besondere Hütte, Stallung und Scheuer, Kornboden, Speicher und Keller hatte. Doch entzog wohl auch der Freie sich nicht ganz den landwirthschaftlichen Arbeiten, da ihm tit. 38. solche opera servilia am Sonntag verbietet. Wiesen- und Getreidebau war in steter Zunahme. Pferde-, Rindvieh-, Schaaf- und besonders Schweinszucht blühte (tit. 74 sq.). Auf die Waiden wurde das Vieh in Heerden (Truppen. tit. 72.) getrieben. Des Weinbaus geschieht in dieser Periode noch keine Erwähnung, während die bairischen, salischen u. a. Gesetze von einem solchen im benachbarten Breisgau wissen.

Die Freien, deren es drei Classen gab, 1) die Ersten, meliorissimi, 2) die Mittleren, mediani, 3) die Gemeinfreien, minofledi, widmeten sich dem Kriegsdienst, im Frieden dem Waidwerk. Man jagte Auerochsen, Büffel, Bären, Wölfe, Roth- und Schwarzwild. Auf Vögel wurden Habichte gebeizt (tit. 101.). Zum Zeitvertreibe hielt man gezähmte Rehe, Tauben, Störche, Raben, Krähen, verschiedene Sangvögel (tit. 99.). Selbst Bären wurden gehegt (ibid.). Die Reitkunst wurde auch von Frauen geübt (tit. 67.).

Von Nahrungsmitteln erwähnt das alemannische Volksrecht das Bier, Brod, Eier, Schweine, besonders Frischlinge, Hühner (tit. 22.). Auch Fische waren eine beliebte Kost. Für Bereitung der Speisen gab es in dieser Zeit bereits eigene Köche (tit. 79.).

In der Baukunst finden sich bedeutende Fortschritte. Das alemannische Gesetz (tit. 81.) kennt schon Stuben (stubas), Säle, d. h. Wohn- und Gesellschaftszimmer, Keller, Scheunen, Kornböden. Die Baulichkeiten des Einzelnen umschloß ein Zaun; das Ganze hieß ein Hof (curtis), ein Hund hielt dabei Wache.

Gewerbe kommen schon vielfach vor. Tit. 79. kennt Köche, Bäcker, Grob-, Gold- und Waffenschmiede, Zimmerleute. Für Verfertigung von Kleidungsstücken hatten die leibeigenen Weiber (ancillae vestiariae. tit. 80.) zu sorgen, vermuthlich unter Aufsicht der Hausfrau. Von künstlicheren Werkstätten kennt das alemannische Gesetz bereits die Wassermühlen (tit. 83. vgl. 104.). Auch Wundärzte erscheinen nicht auf der niedrigsten Stufe (tit. 59.). Als Hauptverkehrsmittel erscheint das Geld. Das Gesetz dreht sich großentheils um Geldstrafen. Die Alemannen rechneten nach