Seite:Dillenius Weinsberg 145.png

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Mittlerweile setzten sich kaiserliche Truppen auch in das Weinsberger Thal, plünderten Alles rein aus, raubten selbst den Altären und Kanzeln ihre Bekleidungen, ruinirten die Orgeln und nöthigten durch Mißhandlungen aller Art die Einwohner zur Flucht.

Die Erndte war zwar gut gewesen und der Kernenpreis stand auf 4 fl. Die Weinberge versprachen einen herrlichen Ertrag. Aber dieser konnte wegen Mangel an Sicherheit und an Zugvieh nicht eingeheimst werden. Die Felder blieben aus den gleichen Gründen unbebaut, weil den Bauern alle Pferde genommen worden. Kaum daß Einzelne von den Soldaten um geringes Geld einen abgerittenen, krummen, hinkenden Gaul kauften, um mit demselben die Saat einzueggen.

Dieß und die muthwillige Zerstörung der Saaten, die Anhäufung von Menschen in der ausgesogenen Gegend etc. hatten Hungersnoth und große Theurung zur unausbleiblichen Folge, zumal da auch

1635 die Weinberge an Lichtmeß erfroren, die Blüthe vom vielen Regenwetter verdorben wurde, sofort wenig und saurer Wein wuchs, und der alte Wein in den Dörfern von den Soldaten ausgetrunken, in den Städten auf Abschlag an der Contribution genommen und weggeführt wurde, so daß den Bürgern gar nichts davon übrig blieb. In mehreren Städten gieng keine Kelter, wie in Tübingen, Waiblingen, Marbach, weil kein Wein gewachsen. Weinrchg. Stuttgart 16 fl. 7 kr., Lauffen 13 fl. 33 kr., Brackenheim 10 fl. 40 kr. Der Scheffel Kernen stieg auf 20 bis 21 fl.

Eine Folge dieser Hungersnoth, wobei viele Hunderte sich mit Nesseln, Schnecken, gemahlenen Eicheln, mit dem Fleisch gefallener Soldatenpferde, mit Hunde- und Katzenfleisch nährten, war eine pestartige Seuche, welche im ganzen Lande einrieß und schon zu Anfang des Jahrs 1635 nach Weinsberg kam, und in diesem Jahr 646 Menschen wegraffte. Unter diesen waren übrigens auch hieher geflüchtete Leute aus den benachbarten Orten Ellhofen, Eberstadt (worunter der dortige Schulmeister und ein Töchterlein des Pfarrers), Hölzern, Gellmersbach, Grantschen, Lehrensteinsfeld, Kochersteinsfeld (worunter des das. Pfarrherrn Magd), Eschach (die Frau des dortigen Pfarrers M. Regulus), Sulzbach im Limpurgischen, s. oben, u. s. f., so wie Soldaten vom Oberst Milheimischen Regiment, „so allhier gelegen,“ ein Sattler dieses Regiments, eine Soldatenfrau und ein Söhnlein von einem kaiserl. Artillerie-Feldzeugwart. Es starben im Januar 19, Februar 20, März 28, April 19, Mai 28, Juni 35, Juli 75, August 119 (oft 6–9 an Einem Tag), September 147, Oktober 124, November 26, Dezember 6 Personen. Das uneinsletzte Opfer dieser Seuche war der Todtengräber. † am 25. Dezember d. J.

Auch der durch bedeutende Stiftungen an Gütern, Geld und Büchern noch im Andenken Weinsbergs stehende, kaum ½ Jahr hier als solcher dienende Diaconus, M. Johann Michael Weiler, vorher hiesiger Präceptor von 1607 an, wurde ein Opfer dieser Seuche. † 13. Oktober d. J., sowie der Vicarius M. Johann Jakob Engelhard v. Biberach, 26 Jahre alt.

Die Einwohnerzahl, welche im vorhergehenden Jahre noch 1416 betragen hatte, wurde dadurch um mehr als den dritten Theil vermindert. Geboren wurden in diesem Jahr nur 38 Kinder, darunter auch von Auswärtigen, zwei von Soldaten des Oberst Milheimischen Regiments, und eins von Pfarrherrn M. Engelhard im Kraichgau zu Lichtersheim; während 1631: 68 und 1632: 54 Geborene vorkommen.

Auch im benachbarten Heilbronn raffte die Pest oft täglich 40–50 Personen weg. Zu Stuttgart starben in diesem Jahr 4379 Menschen. An Geistlichen und