Böhmens noch Aufklärung darüber. Noch fehlen auch urkundliche Unterlagen über Peters weitere Schicksale zunächst nach dem Auszuge aus Prag, insbesondere über seine angebliche Wirksamkeit an den Schulen zu Chemnitz und Zwickau.
Dagegen hat für den nächsten Abschnitt in seinem Leben unsere sichere Kenntnis seit meiner oben angeführten[WS 1] Zusammenstellung infolge der Auffindung von zwei wichtigen Urkunden durch H. Ermisch eine wesentliche Bereicherung erfahren.
Es handelt sich einerseits um eine Schulordnung der Kreuzschule, die aus einem erst infolge der Ablieferung vom hiesigen Königl. Amtsgericht an das Königl. Hauptstaatsarchiv wissenschaftlich benutzbar gewordenen Stadtbuche von Dresden durch den Entdecker im 13. Bande des Neuen Archivs für sächsische Geschichte (1892, S. 346 f.) veröffentlicht ward, – die älteste bis jetzt bekannte aus dem Bereiche des Königreichs Sachsen.
Sie ist niedergeschrieben von Peters Nachfolger im Amte an der Dresdener Stadtschule, Magister Nicolaus Thirman, der nachweislich im Verlauf des Jahres 1413 auch Stadtschreiber geworden ist[1]. Daß er sie zugleich mit der Erlangung dieser Würde oder wenigstens sehr bald darnach in das Stadtbuch eingetragen hat, darauf weisen alle Verhältnisse hin.
Durch dieses Schriftstück wurde nun zunächst sicher, daß Peter hier wirklich Schulmeister gewesen ist, nicht bloß Lokat, wie man dies früher als möglich zugeben mußte.
Ferner ergab sich daraus eine sehr willkommene Bereicherung unserer Kenntnis von dem Zustande der Schule, obwohl der Eintrag keineswegs durch pädagogische oder sonst dem innern Schulbetriebe entsprungene Rücksichten veranlaßt worden ist, sondern nur durch den Wunsch, einmal in amtlicher Form die pekuniären Anforderungen festgelegt zu sehen, zu denen der Schulmeister und seine Gesellen gegenüber den Schülern berechtigt waren. Doch ist hier nicht der Ort, nochmals näher darauf einzugehen[2]. Hervorgehoben sei nur, daß die Lehrziele der Anstalt, wie sie Nicolaus Thirman übernahm[3], über diejenigen einer Trivialschule gewöhnlicher Art entschieden hinausgingen. Im grammatischen Unterricht wurden nach Durchnahme der allgemein gebräuchlichen Elementarbücher über den Donat und den ersten und zweiten Teil des Doctrinale Alexandri hinaus noch „andere große und kleine Grammaticalia“ getrieben, und an den üblichen Unterricht in der Dialektik schloß sich in der obersten Klasse noch ein solcher in der eigentlichen „Philosophie“ an. Ich erwähne dies im Hinblick darauf, was sich aus der weiter unten folgenden Schrift Peters über die Art seines Unterrichts an der Schule erkennen läßt, die er später in Prag leitete.
Der andere bedeutsame Fund besteht in einem vom 18. Oktober 1411 datierten Erlaß des Meißner Bischofs Rudolf (III., von der Planitz), der demnächst von H. Ermisch im Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Abt. IB, Bd. 3, Nr. 220 veröffentlicht werden wird. Es ist mir freundlichst gestattet worden, schon hier mitzuteilen, daß durch denselben bei scharfer geistlicher Strafe allen Lehrern an Partikularschulen innerhalb der Meißner Diözese, insbesondere in Dresden, verboten wird, in ihren Schulen oder an anderen Orten, mit Ausnahme der Universitäten, öffentlich oder insgeheim die Bücher der Heiligen Schrift und des kanonischen Rechts zu lesen und zu erklären.
Hiernach muß Peter mindestens schon einige Zeit vor jenem Datum Schulmeister hier geworden sein. Denn ohne jeden Zweifel ist die Verordnung insbesondere auf die vom Standpunkte der herrschenden Kirche aus in religiöser und kirchenpolitischer Hinsicht bedenkliche Tätigkeit abgezielt, der sich Peter und seine Gesinnungsgenossen hier hingaben.
Dagegen möchte ich nicht glauben, daß die Verdächtigen schon durch diesen Erlaß zur Auswanderung von hier nach Prag getrieben worden seien. Nicht deswegen, weil böhmische Quellen von einer förmlichen Verweisung derselben durch den Bischof sprechen. Und wenn die einzige unter jenen Quellen[4], die eine greifbare Jahresangabe für die ihrem späteren Prager Aufenthalt vorangegangene Zeit gibt, sie „um das Jahr 1412“ ihre verfängliche Tätigkeit in Dresden ausüben und daraufhin vertrieben werden läßt, so wäre daraus auch noch kein haltbarer Gegengrund gegen eine solche Datierung ihrer Auswanderung abzuleiten. Wohl aber scheint mir die Erwägung den Ausschlag zu geben, daß das Amt des Schulmeisters hier nach
- ↑ Richter, O., Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden, Bd. 1, S. 378. In welchen Teil des Jahres 1413 Thirmans Antritt als Stadtschreiber fällt, läßt sich aus den städtischen Archivalien nicht feststellen.
- ↑ Ausführlich habe ich darüber gehandelt im Neuen Archiv für sächsische Geschichte, Bd. 14 (1893), S. 291–311. Es sei gestattet, hier zwei störende Druckfehler zu berichtigen, die dort untergelaufen sind: S. 299, Z. 33 I. electionis (statt lectionis) und S. 300, Anm. 23, Z. 3 I. Renzi (statt Benzi).
- ↑ Die Überschrift der Schulordnung lautet: „Also pflegit man is zu halden in der Schule zu Dresden“, und zu Beginn des Abschnitts über den „Past“, eben desjenigen, welcher Aufschlüsse über den Unterrichtsbetrieb als solchen gibt, heißt es: „als man is ouch bie Meister Peter und andern gehalden had“.
- ↑ Der von C. Höfler, Geschichtschreiber der husitischen Bewegung in Böhmen, Teil 3, herausgegebene Traktat (Fontes rer. Austr., Abt. 1, Bd. 7, Wien 1866, S. 156 f.; vgl. den Auszug daraus Kr. S. 57). Die Angabe bei Laur. de Brschezowa. ausgezogen Kr. S. 57 (bei Höfler, a. a. O., Teil 1 = Font. rer. Austr., Abt. 1, Bd. 2. Wien 1856, S. 324): Petro de Drazdyan tunc – (d. i. 1414) – antea multis annis in civitate Pragensi moram trahenti könnte wohl auch Peters früheren Aufenthalt in Prag mit in Betracht ziehen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: angegeführten
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/199&oldid=- (Version vom 18.12.2024)