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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/268

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Rietschel an Schnorr.
26[1].
Geliebter theurer Freund

Vielen Dank für Deinen Brief, der mir so freundlich entgegenkommend, mir eine für mich neue und sehr ernste Aufgabe erleichtert. Es giebt mir eine fast feierliche Stimmung, daß ich nun berufen bin, mitzuwirken, daß solcher Ehrenpreis einem Würdigsten zuerkannt werde, und kommen denn allerhand Empfindungen über mich, denen Worte zu geben ich hier unterlasse. Es macht mich glücklich, mit Dir von ganzer Seele Einer Meinung zu seyn, und ich kann Dich versichern, daß ich ohne Deine Anfrage denselben Gedanken gefaßt hätte. Als Du mir Deine vertrauliche Mittheilung machtest, wie Cornelius vor meiner Wahl die Frage wegen eines Architekten anregte etc., bewegte mich die eigne Angelegenheit und Humboldts Brief zu sehr, und nahm jede weitre Reflexion gefangen; ich habe nicht weiter drüber nachgedacht. Als ich mit Deiner frühern Zusendung das Namensverzeichnis erhielt, vermißte ich ganz mechanisch den Namen Klenze, den ich unter den Künstlern suchte, jetzt erst fiel mir Deine Mittheilung wieder ein, ich schlug mich vor dem Kopf. Und als ich dem alten Herrn in Heidelberg begegnete und mich seines Wiedersehns freute, da kam sogleich der Gedanke, daß an ihm etwas unterlassen sei, was einem Unrecht gleich käme. Wie es bei jeder Wahl, Sache oder Person, ein angenehmes Gefühl ist, keinen Zweifel zu haben, daß sie die rechte sei, so auch hier. Hier ist wie bei Dir, so bei mir nicht der leiseste Zweifel, und so wirds bei Kaulbach nicht sein, bei Cornelius und Overbeck noch weniger. Ich bin entschlossen, ganz bescheiden anheimgebend, aber meine Gründe auseinanderlegend an Lißt[2] zu schreiben. Ist Dir das auch recht? Noch habe ich das Auffoderungsschreiben nicht, denke es durch meine Schwägrin ehstens zu erhalten. Nur eins, mein lieber theurer Freund, hätte ich so gern von Dir gehört, doch wird mir es schwer, Dich bei Deiner engen engen Zeit zu bitten. Ich möchte wissen, ob der Name kurzweg vorgeschlagen wird, oder ob der Vorschlag motivirt werden muß. Könntest Du mir mit 3 oder 4 Worten dies beantworten? Ist Klenze’s Titel beizufügen, wie heißt derselbe; Geheime-Rath oder Baudirector? etc. etc. Du dürftest Deine Zeilen nur an meine Schwägrin geben, die sie mit den einlaufenden Briefen mir in jeder Woche schickt.

Daß es Euch gut geht, hören wir mit Freuden, was ist köstlicher, als die Kinder um sich zu sammeln. Mit Loths waren wir viel zusammen. Wir haben viel mit der kleinen liebenswürdigen Frau gelacht. Seit dem haben wir keinen nähern Umgang mit Badegästen gepflogen. Es geht uns gut, und wills Gott, will ich mit frischer Kraft wieder an meine Arbeit gehn, ich sehne mich herzlich darnach. Nur rathet jeder und die Aerzte vor allem der Cur ihre Nachwirkung zu bewahren und nicht kopfüber in alle Arbeit sich zu stürzen. Zuletzt soll Lebenszweck werden: seine Gesundheit zu pflegen, da ists zuletzt auch gleich, ob todt oder lebendig.

Ueber Luthers Monument sprechen wir mündlich, es ist dazu noch Zeit. Gott weiß es, daß ich nicht aus Lust und Laune es so oder so machen will, ich nehme es ungeheuer ernst mit der Sache und mit mir. Wollte ich anders, als ichs fühle, erkenne und demnach muß, ich würde einen Meineid begehn. Wohl giebt es nur Eine Wahrheit, aber ihre Ausstralungen erscheinen verschieden, je nachdem das Prisma der Seele gestellt ist und sie aufzufangen vermag, sie bleiben demnach immer ausgehend von Einer Quelle. Mit meiner Auffassung wird grad Euer Blatt den Streit der Ansichten beginnen müssen!

Wie stehts mit der Frage der Besetzung der Kupferstecherprofessur? Ich denke morgen den 4ten über 8 Tage hier abzureisen, 8 Tage still wo zu bleiben, dann nach Brandenburg einige Tage zu gehn, und in der letzten Woche des Juli bei Euch einzutreffen. Gott gebe frohes Wiedersehn. Grüß Dein ganzes liebes Haus. Meine Frau grüßt herzlich.

Mit treuer Liebe und Freundschaft
Dein E. Rietschel.     


27[3]

Wenn Du heut gegen Abend 6 Uhr kannst und willst, liebster Schnorr, so wird Hübner sich auch einstellen und – bei mir, weil ich etwas erkältet bin und nicht auszugehn wage. Kann ich Dich also erwarten?

Dein
E. Rietschel.     

     Dienstag früh.


28.

Jedenfalls, liebster Schnorr, wird es da besser seyn, wenn wir morgen Mittwoch gegen Abend 6 Uhr unsre Sitzung bei mir halten, da es doch ungewiß ist, wie lange die Eure im Kunstverein dauert. Wenn Dir es recht ist, so brauche ich keine Antwort weiter.

Dein E. Rietschel.     


  1. Der Brief ist am 3. Juli 1858 geschrieben.
  2. Als ausländisches Mitglied des Ordens war dieser wohl nicht stimmberechtigt.
  3. Die Briefe 27 und 28 sind am 31. August 1858 geschrieben. Am 1. September, einem Mittwoch, Nachmittag 6 Uhr trafen sich Hübner und Schnorr in Rietschels Wohnung. Hübner las seinen Aufsatz für das Christliche Kunstblatt über Rietschels Luther-Denkmal vor.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/268&oldid=- (Version vom 6.12.2024)