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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/96

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Ruinarum ruriumque aliquot delineationes executae per Phil. Galleum. Dieses seltene Kupferwerk ist in keiner der Dresdner Bibliotheken vorhanden[1] und die fragliche Ansicht von Dresden (16x24 cm Bild. größe), Blatt Nr. 27 des aus 38 Blättern bestehenden Werkes, hat Adelung nicht besessen und auch nicht gesehen. Man kann daher sagen, daß das Bild bisher in Dresden unbekannt war. Kürzlich hat es das Stadtmuseum zum Kauf angeboten erhalten und erworben.

Der Maler Heinrich van Cleef (Henricus a Cleve, Clivensis), geboren um 1520, reiste als junger Mann nach Italien und zeichnete auf dieser Reise die schönsten Gegenden, um sie später in seinen Gemälden anzubringen. Im Jahre 1555 kehrte er in seine Vaterstadt Antwerpen zurück und wurde in die Akademie aufgenommen. Seine Zeichnungen sind später in Kupfer geätzt, aber erst 1587, zwei Jahre vor seinem Tode, in dem genannten Werke herausgegeben worden[2].

Es ist nichts davon bekannt, daß der Künstler noch weitere Reisen gemacht habe. Man muß daher annehmen, daß er die Ansicht von Dresden spätestens im Jahre 1555 auf seiner Rückreise aus Italien gezeichnet hat. Das stimmt vollständig mit den Merkmalen, die das Blatt selbst an die Hand gibt. Auf diesem ist, über das Schloß herausragend, der Schössereiturm in der Schloßgasse schon in der Gestalt zu sehen, die er 1553 erhielt. Andererseits fehlt noch das Zeughaus, dessen Bau von 1559 bis 1563 dauerte; denn es ist nicht anzunehmen, daß das im Hintergrunde ganz links dargestellte Haus mit Einem Giebel das mit zahlreichen Giebeln geschmückte Zeughaus sein soll, das damals als ein großartiges Bauwerk angestaunt wurde und dem gewiß von jedem Zeichner eine hervorragende Beachtung geschenkt worden wäre. Die zeitlichen Grenzen der Entstehung des Blattes sind also die Jahre 1553 und 1559; wenn man dazu die Tatsache der Durchreise des Künstlers in Betracht zieht, wird man sie mit ziemlicher Bestimmtheit in das Jahr 1555 zu setzen haben.

In Anbetracht einer so frühen Zeit der Entstehung muß der Cleefsche Kupferstich entschieden als eine gute Ansicht der Stadt bezeichnet werden, deren Wiederauffindung einen beträchtlichen Gewinn für unsere Ortsgeschichte bedeutet. Namentlich die wichtigsten beiden Bauwerke, die Elbbrücke und das Schloß, scheinen in der Hauptsache mit einer bei den ältesten Landschaftern nicht gewöhnlichen Genauigkeit gezeichnet zu sein. Auf der Brücke fällt links das große Tor mit dem Gatter, daneben das Zollhaus und auf dem übernächsten Bogen nach Süden zu ein hohes schmales Gebäude mit spitzem Dach und kleinen gotischen Erkern in die Augen, zweifellos die alte Alexiuskapelle[3], von der es bisher eine Abbildung überhaupt nicht gab. Ob es der Künstler mit der Zahl der Pfeiler und Bogen genau genommen hat, muß bei der Unsicherheit aller Nachrichten über die ältere Beschaffenheit der Brücke dahingestellt bleiben. Am Schlosse ist zweifellos der Turm nicht ganz richtig wiedergegeben. Merkwürdig ist das an den Georgenbau angrenzende, damals von der Elbe her noch sichtbare Stück der alten Stadtmauer, das nach Osten hin in einem dicken Turme endigt; es ist zum Teil noch heute im Stallhofe erhalten. Hinter dieser Mauer wuchsen erst später, 1565 – 1567, die Giebel des Kanzleihauses empor. Das hinter dem Mauerturme erscheinende große Dach gehört anscheinend dem alten Judenhause und Gewandhause an, das 1591 abgebrochen wurde. Weiter nach Osten zu wird eine Kirche sichtbar, der Lage nach die Frauenkirche, in der Gestalt des Turmes aber mehr der Kreuzkirche ähnlich. Ein sonderbar geformter Turm ragt auch über das Georgentor heraus, dieser müßte der Lage nach der der Kreuzkirche sein. Überhaupt sind die Bauten im Hintergrunde nur sehr flüchtig und mit offenbarer Willkür angedeutet, und ganz besonders bildet die Wiedergabe von Türmen die schwache Seite Cleefs wie aller Architekturzeichner seiner Zeit.

O. Richter.




Landesfürstliche Geburts-, Vermählungs- und Todesanzeigen im 15. Jahrhundert.

Die Formen des Verkehrs zwischen Fürst und Volk waren im Mittelalter einfacher und unbefangener als heutzutage. Viel häufiger als jetzt trat der einzelne Bürger dem Fürsten nahe, nicht bloß zu Hause, wo er seine Anliegen persönlich vorbrachte, auch draußen im Felde, wo der Untertan oft genug mit seinem Landesherrn unmittelbar die Gefahren und Beschwerlichkeiten des Krieges teilte. Freudige und traurige Ereignisse im fürstlichen Hause begleitete die Bevölkerung der Residenzstadt mit familiärer Anteilnahme. Nicht durch feierliche Ansage des Oberhofmarschallamts wurden sie verkündet, sondern der Landesherr ließ dem Rate seiner getreuen Stadt durch einen seiner Diener mündliche Botschaft ausrichten. Nur wenn er sich auswärts aufhielt, gelangte eine briefliche Anzeige an den Rat. Erst in der Zeit Herzog Georgs, als Beamtentum und Schreibwesen größeren Umfang annahmen, wurde es üblich, daß der Landesherr dem Rate Familienereignisse auch


  1. Die Königl. Bibliothek in Berlin besitzt es (Nv 5048).
  2. G. K. Naglers Künstlerlexikon Bd. 2 S. 566. – J. Sandrarts Teutsche Akademie Teil 2, Nürnberg 1675, S. 257.
  3. Sie ist also nicht 1542/43 abgebrochen (Bau- und Kunstdenkmäler Heft 22, S. 307), sondern nur umgestaltet worden, wie dies auch aus den bei W. Schäfer. Chronik der Elbbrücke, S. 33 abgedruckten Rechnungsvermerken hervorgeht.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/96&oldid=- (Version vom 11.12.2024)