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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/193

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      zu a) daß der Kessel nach einer vorgenommenen Reparatur probirt werde und
      zu b) daß zwar Kohlen genug auf dem Schiffe sich befänden, um bis Königstein zu gelangen, daß aber, wenn vielleicht bis zur Abfahrt ununterbrochen geheizt werden sollte, um sogleich Dämpfe in Vorrath zu haben, der Kohlenvorrath nicht ausreichen würde und auch bei der Wendung der öffentlichen Angelegenheiten in Dresden, wie solche bereits wahrnehmbar, an Herbeischaffung eines größeren Vorrathes nicht zu denken sei.

Da nun zu besorgen stand, daß die Terrasse bis zum Hereinbrechen der Nacht von den Aufständischen besetzt werden möchte – eine Maßregel, deren eigentliche strategische Nothwendigkeit selbst mir, dem Laien, einleuchtete, – so ordnete ich an, um das Dampfschiff vorher jedenfalls in Sicherheit zu bringen, daß dasselbe, wenn es bei seiner gegenwärtigen Kesselprobe Dämpfe genug haben werde, das Innere der Stadt verlassen und zunächst der Wiese unterhalb des Kosel’schen Gartens, also auf der Neustädter Seite, jedoch nicht unmittelbar am Ufer, sondern ein Stück stromeinwärts vor Anker gehen möge. Da ich darauf bestand, daß selbst[1] ....................................................................................... antreten. Auch einen Unteroffizier, welcher mitfahren sollte, lehnte ich, damit nicht so viele Personen bei Nacht in einem Kahne vor der Zeit Aufsehen erregen möchten, definitiv ab. Die Umkleidung und Herbeischaffung des Schlüssels zu dem einen Pontonschuppen, worin das Schonzeug zu den Kähnen sich befand, nahm abermals viel Zeit weg, und ich befand mich daher in der größten Unruhe, da man Seiten des Hofs jeden Augenblick die Abreise antreten konnte und Leonhardi noch immer nicht auf seinem Posten war. Endlich stieß der Kahn mit letzterem vom Ufer ab, und zwar, wie ich ausdrücklich verlangte, dergestalt, daß derselbe nach dem Schatten, welchen die Brühl’sche Terrasse auf den Elbstrom warf, auf dem kürzesten Wege hinüber fuhr, um dann, von der tiefen Dunkelheit geschützt, die Appareille zu erreichen, was auch glücklich gelang. Es war bereits Nachts in der 12. Stunde. Bis um 1/4 4 Uhr stand ich auf dem Bade an der unteren Elbmauer in der höchsten Spannung, ob alles glücklich von Statten gehen werde, allein als endlich beim Anbrechen des Tages noch immer keine Abfahrt erfolgte, was bei dem eingetretenen dichten Nebel, wenigstens durch das Geräusch sich hätte bemerkbar machen müssen, legte ich mich, zum Tode ermüdet und angekleidet, in meiner Wohnung auf ein Sopha. Nach 5 Uhr stand ich wieder auf und erblickte, als der Nebel von Neuem eine Fernsicht gestattete, das Dampfschiff nicht mehr, sodaß also die Abreise doch noch vor sich gegangen sein mußte. Wer vermöchte die Freude meines Herzens mit Worten zu schildern? Es war einer der erhebendsten und beglückendsten Momente meines Lebens!

Leider sollte aber diese Freude eine um so erschütterndere Unterbrechung erfahren. Denn als ich gegen 8 Uhr an das Neustädter Gouvernementsgebäude gelangte, erfuhr ich dort als allgemeine Neuigkeit, daß das Dampfschiff, worauf sich der König, die Königin und die Minister Dr. Zschinsky, Rabenhorst und von Beust befunden, bei Pirna aufgehalten, der König und die Minister gefangen genommen worden seien und man dieselben per Eisenbahn nach Altstadt-Dresden, folglich in das Centrum der Revolution, in Kurzem zurückbringen werde. Man erzählte, daß die Demokratie, sofort nach erhaltener Nachricht von der zu Wasser erfolgten Abreise des Königs, auf der Eisenbahn bis Pirna vorausgeeilt sei und die Festnehmung des Dampfschiffs mit allen darauf befindlichen Personen ausgeführt habe. Mein Schreck war unbeschreiblich. Mir schwebte augenblicklich vor, daß man alle Schuld auf den Veranstalter jener Abreise werfen und mich um so härter tadeln werde, je mehr ich unaufgefordert und ohne durch meine amtliche Stellung irgendwie hierzu angewiesen zu sein, in Dinge, die mir an sich fern lagen, mich immiscirt hatte. Daß mich hierzu die Liebe zu meinem Könige angetrieben, würde bei Allen, die nur nach dem Erfolge urtheilen – das erkannte ich wohl – keineswegs als Rechtfertigung gegolten haben. Ich durfte über das Urtheil der Welt auch gar nicht lange in Zweifel bleiben, denn der Herr von Thielau – der ehemalige Abgeordnete aus der Lausitz - welcher vor dem Gouvernementsgebäude mehrere Personen vom Civil- und Militärstande haranguirte, warf so laut, daß es alle Umstehenden hören konnten, die Frage auf: „ich möchte nur wissen, wer dem Könige den unsinnigen Rath gegeben hat, zu Schiffe zu entfliehen? Da nehme ich einen Wagen mit sechs Pferden bespannt und eine Schwadron Kavallerie und fahre damit durch ganz Sachsen!“

Nun dachte ich zwar bei mir selbst: der Mann hat gut reden, denn woher kommt wohl gleich ein Wagen mit sechs Pferden, nachdem man schon am Nachmittag vorher, also 12 Stunden früher, sich an zwei leeren Hofpferden vergriffen hatte, und die Kavallerieschwadronen stehen ebenfalls nicht so zum beliebigen Dienste aufmarschirt; allein dem ungeachtet konnte diese Aeußerung nicht verfehlen, meine Angst,


  1. Hier fehlt, wie erwähnt, ein ganzer Bogen von der Handschrift.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/193&oldid=- (Version vom 14.8.2024)