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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/232

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seinen Bestimmungsort gelangt ist, wie inländisches behandelt werden, damit diejenigen, die mehr als zu ihrem Unterhalte haben, den Ueberschuß auf den gewöhnlichen Wochenmarkt bringen und ihn den Einwohnern zum leidlichen Kaufe zukommen lassen[1].

Der König von Preußen ordnete, durch die Theuerung in seinem Lande veranlaßt, an, daß für Getreide, welches von Hamburg nach Sachsen geführt würde, bei Passirung der preußischen Landesgrenze Pässe zu lösen wären. Diese Maßregel vertheuerte das nach Sachsen eingeführte Getreide beträchtlich. Es mußten für diese Pässe bezahlt werden: für den Wispel Weizen 2 Thaler 11 Groschen 11/2 Pfennig, für den Wispel Roggen 1 Thaler 19 Groschen 24/5 Pfennig, für den Wispel Gerste 1 Thaler 19 Groschen 22/5 Pfennig, für den Wispel Hafer 1 Thaler 1 Groschen 83/5 Pfennig. Die Juden, deren ausgedehnte Handelsbeziehungen der Regierung bekannt waren, wurden durch eine Verordnung vom 2. Oktober 1771 angehalten, ihre auswärtigen Bekanntschaften zum Besten der Stadt auszunutzen. Es wurde ihnen bekannt gemacht, daß sie sofort ein Verzeichniß einzureichen hätten, mit der deutlichen Erklärung, wieviel, binnen welcher Zeit, woher und zu welchem Preise sie Korn und Weizen gegen Bezahlung nach Dresden schaffen könnten. Bei etwaiger Renitenz droht der Kurfürst mit Ausweisung sämmtlicher Juden aus Sachsen[2]. Obwohl diese alle Mittel anstrengten, um Getreide nach Dresden zu bringen, war es ihnen doch nur in beschränkter Weise möglich. Als sie nach Verlauf einiger Zeit obrigkeitlich an den Befehl erinnert wurden, sandten sie zwei der ihrigen an den Rath ab, welche erklärten, es fehlten ihnen die Geldmittel, um Getreide herbeizuschaffen, dann sei dieses auch, der preußischen Pässe und der vorgerückten Jahreszeit halber, unmöglich[3]. Der Rath scheint diese Aussagen als begründet erkannt zu haben, da die Akten keinerlei Maßregeln gegen die Juden aufweisen. – Die Geistlichen wurden aufgefordert, ein Verzeichniß der am meisten bedürftigen Armen einzureichen; diesen wurden täglich 2 Scheffel Roggenmehl unter Aufsicht der Polizeikommission zugetheilt, auch Brod in halben Pfunden unter sie vertheilt[4]. Mit dieser Mehl- und Brodvertheilung wurde bis nach der Ernte fortgefahren, die im Jahre 1772, wenn auch nicht hervorragend, so doch ziemlich gut ausfiel. Am 6. September 1772 wurde die Abgabenbefreiung vom 1. Oktober ab wieder aufgehoben, ebenso durften die Bauern und Bauernbäcker wiederum nur wie vor 1771 in beschränkter Weise in die Stadt liefern[5]. Die Ausfuhr von Hülsenfrüchten, Graupen und Erdäpfeln wurde am 23. Juni 1773 wieder freigegeben, doch blieb das Getreideausfuhrverbot bestehen[6]. – Zur Erinnerung an die Hungerjahre 1771 und 1772 sind in Sachsen verschiedene Medaillen geprägt worden. Der Avers der einen zeigt einen Obelisk mit dem kursächsischen Wappen und der Schrift: „Sachsens Denkmahl 1 ℔ Brod 2 gr.“, der Revers die Schrift: „Die sächsische Theuerung 1 Sch. Korn 13 Thl., 1 Sch. Weitze 14 Th., 1 Sch. Gerste 12 Th., 1 Sch. Haber 6 Th. von 1770 bis 1772.“ Auf anderen Medaillen befinden sich Sprüche wie: „Gottes Hand Schlägt das Land“ oder: „1771, den 29. Mai und 29. Juni schickte Gott durch Gewitter eine Wasserfluth, welche an Gebäude, Aecker und Wegen großen Schaden thut“, oder: „72 klein Brod 73 Mäuse Noth.“ Andere wieder zeigen auf dem Avers eine schreitende männliche Figur, mit einem Stabe in der Hand und einem Sack auf der Schulter; auf dem Sacke sitzt der Teufel, der ihn aufschneidet, so daß das darin befindliche Getreide zur Erde fällt; dabei die Umschrift: „Du Korn Jude.“ Unter dem Bilde: „Theure Zeit 1624 : 1772.“ Auf dem Revers die Schrift in einer Kornmetze: „Wer Korn inne haelt, dem fluchen die Leute, aber Seegen komt über den, der es verkauft. Spruch Salom. XI. 26.“

In den folgenden Jahren, bis 1789, hatte Sachsen anhaltend gute Ernten, weshalb sich bis dahin keine besonderen Verordnungen oder Vorschriften nöthig machten. Im Jahre 1782 wurden zum ersten Mal gedruckte Zettel angeheftet, wodurch die, welche Ueberfluß an Getreide hatten, dieses zum Kaufe ausboten. Auch die Getreideeinfuhr war wieder bedeutend gestiegen. Es wurde vom 1. Mai 1783 bis Ende April 1784 Getreide auf der Elbe nach Dresden gebracht, 1783: im Mai 8383 Scheffel, im Juni 8257 Scheffel, im Juli 4650 Scheffel, im August 4831 Scheffel, im September 11 080 Scheffel, im Oktober 20 520 Scheffel, im November 18 024 Scheffel, im Dezember 3971 Scheffel; 1784: im Januar – Scheffel, im Februar – Scheffel, im März 5778 Scheffel, im April 10 966 Scheffel. Demnach 96 460 Scheffel, welche dem Rathe an Meßgeld (pro Scheffel 2 Pfennig) 669 Thaler 20 Groschen 11 Pfennig einbrachten[7].

Doch die Jahre 1789 und 1790 brachten theils in Folge ungeheurer Trockenheit, theils durch später eingetretene Ueberschwemmungen sehr schlechte Ernten. Der Kurfürst überließ am 12. September 1789 den Bäckern vom Hof-Futterboden 1000 Scheffel Korn zu je 2 Thalern 16 Groschen. Eine weitere Aushilfe wurde am 16. September 1789 geleistet und zwar 1000 Zentner

Roggenmehl, in Fässern zu 450 Pfund zu 9 Thalern


  1. C. XXXII. 33.
  2. C. XXXII. 33. Bl. 1.
  3. C. XXXII. 33. Bl. 29.
  4. C. XXXII. 33. Bl. 54.
  5. C. XXXII. 33. Bl. 82.
  6. C. XXXII. 29.
  7. C. XXXI. 33 a.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/232&oldid=- (Version vom 20.8.2024)