Zum Inhalt springen

Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/252

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


IX. Jahrgang    1900    Nr. 3.


Festnummer zur 75 jährigen Stiftungsfeier des Königl. Sächsischen Altertumsvereins.


Paul Buchner,
ein Dresdner Baumeister der Renaissance[1].
Von Cornelius Gurlitt.

Das Ende des 15. Jahrhunderts zeigt in Deutschland eine unermüdliche Wanderlust, ein stetes Kommen und Gehen. Die fahrenden Schüler wechselten die Lehrstätte, wenn der neu eingetroffene Bursche die Tugenden eines fernen Magisters pries, die thatendurstigen Bürgersöhne suchten in fernen Landen Gefahr und Ehre als Landsknechte; am Tisch der rüstigen Herbergswirthin trafen sie zusammen mit dem Handwerksgesellen, der von Nürnberg oder Straßburg kam und neue Gedanken und neue Kunstfertigkeit seiner Heimath zutrug. Unter den Handwerkern der vornehmsten einer war der Steinmetz. Denn wie seine Kunst über alle anderen herrschte, wie die von seinen Gotteshäusern entlehnten Formen für Holz und Eisen, für den Schmuck und die Nothwendigkeit des Hauses das Vorbild gaben, so gehörte er auch einem Handwerk an, das, unabhängig von den kleinen Staaten und Städten, über ganz Deutschland einen auf geistiger Gemeinschaft beruhenden Bund bildete. Er stand über dem Maurer und Zimmermann, über allen jenen Bauhandwerkern, die seinem Werke und mithin ihm selbst dienstbar waren, wie der moderne Architekt über seinen Gewerken steht. Und diese Höhe verdankte er der überlieferten Schulung und dem sicheren Können der an den mächtigen Dombauten sich selbst zu hoher Bedeutung steigernden Hütten.

Aber plötzlich kam über die Alpen ein neuer Geist. Einzelne Künstler hatten staunend gesehen, wie mächtig dort noch die Bauten der alten Römer die wechselnden Zeiten überdauerten und wie in den volkreichen Städten Italiens glänzende Künstler den Werken der Alten nachstrebten. Die neu erwachte Kunde von der Größe und geistigen Bedeutung der alten Kaiserstadt, die von gelehrtem Munde auf den Lehrstühlen der jungen Universitäten verbreitet worden war, erfüllte auch das deutsche Volk. Und mit jenen Künstlern kamen allerhand Zeichnungen in das Land. Aufnahmen von wohl durchdachtem, reichem Ornament, eine Fülle namentlich der Pflanzenformen, die ebenso von der immer trockener gewordenen Knaggen- und Maßwerk-Architektur der Hütten, wie von dem blühenden Naturalismus der Bildhauer abstach. Die Maler begannen, dem erwachenden Streben nach Wahrheit und geschichtlicher Treue folgend, römische Einzelheiten in die heilige Geschichte aufzunehmen, suchten wohl selbst im eigenen Lande nach Römerbauten, um deren Formen zu verwerthen. Und da fast jede Stadt, selbst des Ostens, zum mindesten von Drusus, wenn nicht unmittelbar von Troja abzustammen glaubte, da der Bau jeder alten Kirche auf einige Jahrhunderte vor ihre wirkliche Entstehung durch übereifrige Stadtgeschichtsschreiber zurückverlegt wurde, ist es nicht zu verwundern, daß die neue Ornamentalkunst eine reichliche fülle auch romanischer Einzelheiten zeigt.


  1. Mit Benutzung der Akten des Königlichen Hauptstaatsarchivs. – Die Clichés zu den Abbildungen sind für den in Vorbereitung befindlichen Band „Dresden“ der „Beschreibenden Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens“ angefertigt und mit Genehmigung des Königlichen Ministeriums des Innern zum Abdruck überlassen worden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/252&oldid=- (Version vom 20.7.2024)