Mann, war die etwa 6000 bis 7000 Einwohner zählende Hauptstadt der sächsischen Kurfürsten erst im Werden. Zwar war das Schloß vollendet, zwar hatte die Pflasterung der Straßen und der durch eine Stadterweiterung und durch die veränderte Belagerungsweise bedingte Umbau der Festungswerke begonnen; aber aller Orten zeigten sich noch Lücken, kleinstädtische Unfertigkeiten. Noch fehlte es an den nöthigsten Monumentalbauten. Neben dem Schloß war nur die gothische Kreuzkirche von Bedeutung. Jenseits der Festungslinie am Ostrande der Frauenvorstadt war man im Begriff, den Grund zum Zeughaus auszuheben. Dort, wo jetzt die Brühl’sche Terrasse steht, war der Ring der neueren Werke noch nicht geschlossen. Die mittelalterlichen Mauern bildeten einen die Frauenvorstadt abtrennenden Abschnitt quer durch die Stadt, wie denn noch heute sich die, jetzt mit den bekannten Sgraffiten gezierte Zwingermauer an der Augustusstraße als letzter Rest der ältesten Befestigung erhielt. Damals lehnten sich außen an diese kleine Werkstätten, eine Handwerkergemeinde, die von Jahr zu Jahr wuchs und auch jenen Streifen Boden zwischen den beiden alten Umfassungsmauern der Stadt erfüllte, der heute den Stallhof bildet und den man damals den Zwinger nannte. Weiterhin, an der Moritzstraße, wurde das durch Abbruch der mittelalterlichen Stadtmauern frei werdende Gelände mehr und mehr die Beute Baulustiger, die der Kurfürst auf ihr Gesuch dort mit Land beschenkte; man nannte die Straße bis in das vorige Jahrhundert höhnisch die Bettelgasse.
Gleich unfertig waren die äußeren Grenzen der Altstadt überall da, wo die neue Befestigung vor den alten doppelten Mauerkranz hinausgeschoben worden war. Selbst die Einfahrt zur Stadt von Norden, das Thor über der Elbbrücke, war soeben erst errichtet worden.
Ueber diese Unfertigkeiten nun erhob sich, eine würdige Umgebung heischend, das kurz vorher vollendete kurfürstliche Schloß in seiner malerischen Größe. Giebel drängte sich an Giebel, Sgraffiten dehnten sich von der höchsten Spitze des Thurmes herab bis zum quadrirten Erdgeschoß, während die Bildwerke des anstoßenden etwas älteren Georgenbaues in alter Farbenlust und Farbenpracht leuchteten.
So weit Buchner auch gereist war, das Dresdner Schloß mußte ihm doch ins Auge fallen durch seine sonderbare Erscheinung, durch die heitere Lebendigkeit seiner Umrißlinie und durch den von der schweren Behandlung des weiß auf schwarzem Grunde gezeichneten Sgraffito, dem dadurch erzeugten Ernst seines Gesammttones. Hier also, in der jungen Hauptstadt der Kur Sachsen, suchte Buchner eine bleibende Stätte des Wirkens. Er hatte bei seinem Vetter, dem Schraubenmacher Leonhard Danner in Nürnberg, dessen Handwerk erlernt. Seine Jugend fiel mitten in das großartige Kunstleben der rührigen Frankenstadt. Sein Vetter gehört mit unter jene ausgezeichneten Männer der kunstreichen Arbeit, die den Stolz ihrer Vaterstadt bildeten und die der Schreibmeister Neudörffer in seinem kleinen Büchlein über diese seine Zeitgenossen so anschaulich schildert.
Es waren berühmte Männer, denen der Knabe auf den engen Straßen der Vaterstadt begegnete. Zwar die Größten hatten bereits das Zeitliche gesegnet. Dürer war drei Jahre, Peter Vischer zwei Jahre vor seiner Geburt gestorben, Veit Stoßens vom Henker gebrandmarktes Antlitz hatte er nur als zweijähriger Knabe sehen können. Aber noch wirkten die glänzenden Vertreter der Kleinkunst, die in Deutschland, ja über seine Grenzen hinaus, die Mode durch die Erzeugnisse ihres Geistes bestimmten; noch lebte in Nürnberg der wissenschaftliche Geist, der zu allerhand Erfindungen hindrängte; und wenn auch die Wirren der Reformation vielen Schaden gebracht hatten, so wirkte doch noch die große Ueberlieferung aus der Glanzzeit der Reichsstadt mächtig nach.
Nachdem er seine Lehrzeit als Tischler vollendet hatte und nach siebenjähriger Arbeitszeit in Danners Werkstätte war Buchner auf Reisen gegangen. Der Kaiser Karl V., wie auch Kurfürst August von Sachsen hatten in der Werkstatt seines Lehrherrn von ihm gefertigte Schraubenwerke gesehen, die zum Mauernbrechen bei Belagerungen dienen sollten. Kaiser Karl ertheilte dem jungen Handwerker den Auftrag, gleiche Stücke nach den Niederlanden zu bringen, wohin er sich gramgebeugt und krank zurückgezogen hatte. So kam Buchner an den Hof des Herzogs Philibert Emanuel von Savoyen, des damaligen Statthalters. Als er seine Arbeit abgegeben und aufgestellt hatte, ging er mit guter Abfertigung nach Nürnberg zurück. Bald trieb es ihn wieder in die Fremde. Zunächst nach England, wo er 15 Monate unter der blutigen Marie bedienstet war und gern gehalten worden wäre. Er erhielt sogar einen Ruf nach Spanien durch Vermittelung eines der großen Nürnberger Bankmänner, Martin Pfintzing, und nahm denselben an. Zunächst zog er mit einem deutschen Schlosser Simon Seiller und 13 Zentner Zeug wieder nach Brüssel, wo er bei Herzog Philibert Emanuel wieder Anstellung und 200 fl. Jahreslohn in eigener Behausung erhielt. Der König Philipp II. und der Herzog besuchten ihn täglich, um den Fortgang seiner Arbeit zu betrachten. Er folgte dann, seit dem 13. Januar 1557 aus des Herzogs Dienst in Gnaden entlassen, dem spanischen Heere in die Stellungen vor St. Quentin (1557), ohne daß sein Schraubenwerk bei der Einnahme der Stadt verwendet wurde und so eine Probe bestehen konnte. Aber für das Zeughaus fertigte er zwei Pressen, mit denen der König seine Siegel druckte. Philipp II.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/254&oldid=- (Version vom 20.8.2024)