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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/283

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läßt. Es entstand daraus eine merkwürdige Form des Gelegenheitsgedichts: der Dichter spricht ganz im Sinne eines Anderen und versetzt sich in eine fremde Stimmung, ohne jeden inneren Antrieb. Für diese Gattung findet sich bei Brehme z. B. ein Sonett mit dem bezeichnenden Titel: „Auff Begehren eines Andern der Saale Lob“. An anderer Stelle versetzt sich der Dichter in „einer verlobten Damen Traurigkeit über dem Absterben ihres Liebsten“. Solche Versuche, seelischen Stimmungen Anderer Ausdruck zu geben, leiden zumeist an starken Uebertreibungen, die die Unfähigkeit, aus dem Herzen zu sprechen, verdecken müssen.

Aeußere Aehnlichkeit mit dieser letzten Art der Gelegenheitsgedichte haben die in die Schäferromane zahlreich eingelegten lyrischen Gedichte, denen die Aufgabe zugedacht ist, die Empfindungen der Romanhelden poetisch zu veranschaulichen. Diesen lyrischen Einlagen sind dann auch freie lyrische Schäfergedichte nachgebildet worden, die ebenso wie jene allerlei Liebesempfindungen und Liebesbetrachtungen anderer Personen in ganz äußerlicher Art ohne jede seelische Vertiefung schildern. Für diese den Romangedichten nachgebildete Gattung ist kennzeichnend „Corydons Besinnen, als er seine Caritilla gelassen hatte“: das Gedicht enthält Reflexionen eines Liebenden; der lange Titel muß den Zusammenhang andeuten, den im Roman die Handlung des Textes vermittelt. Das Liebeslied steht fast ganz unter der Herrschaft der schäferischen Form; auch das damit verwandte Hochzeitslied geht vielfach in diesem Gewand einher. Und wenn auch das Liebeslied zuweilen der schäferischen Einkleidung äußerlich entbehrt, so bewegt es sich doch mit seinem innern Gehalt fast immer ganz im Bannkreis der bei der Schäferdichtung hergebrachten Anschauungen. Es ist durchweg ein Spielen und Tändeln mit der Liebe, mit Treue und Untreue, mit Freud und Leid, das daraus entspringt; ein Spielen, wie es treffend in dem kurzen süßlichen Vers zur Erscheinung kommt:

„Küssen und geküsset werden
Ist das schönste Spiel auf Erden.“

Aber häufiger als das Liebesglück wird der Liebesschmerz behandelt, die Unruhe, die der Seele aus der Liebe erwächst, und vor allem das Herzeleid über die Untreue. In dem kurzen Epigramm „Beschreibung der Liebe“ kennt er nur diese Seite:

„Thränen, Seufzer und der Schmerz,
Angst von außen und von innen,
Halber Muth und halbes Herz,
Ganz verwirrte tolle Sinnen,
Täglich tot und noch am Leben –
Soll das nicht viel Schmerzen geben?“

„Eines Cavalliers Leid und Unruhe wegen großer Liebe gegen eine schöne Dame“ gehört ebenfalls hierher. Zur Verstärkung des Eindrucks wird im Eingang vergleichsweise die ganze Thierwelt aufgeführt, die nicht solche Liebespein erleiden muß, wie ein friedloses Menschenherz. Die Natur dient in der Dichtung jener Zeit lediglich als poetischer Schmuck zur Hebung des Pathos der Empfindungen. Aber es ist ein leeres Pathos: der besungenen Empfindung fehlt sehr oft Tiefe und sittlicher Ernst, so daß nur ein leichtfertiges Spiel übrig bleibt. Dies zeigt sich auffällig deutlich in „Einer verstoßenen Dame Betrübnis“: in ihrem Jammer über des Geliebten Untreue findet sie doch zum Schluß den Trost:

„Wann dunkle Nacht vorbei,
Ist schon der Morgen neu:
Wann rechte Zeit kommt an, ich dennoch frei“.

Häufiger natürlich bei einem männlichen Dichter ist das Thema der weiblichen Unbeständigkeit. Da mögen sich wohl hie und da eigene Herzenserlebnisse untermischen; in dem Gedicht „Die Untreue einer Dame“ wirkt zwar das willkürlich spielende Hin- und Herschwanken zwischen Liebes- und Rachegefühlen nahezu komisch, dennoch hat das Ganze Fluß und anscheinend werden Töne wahrer Empfindung laut, wie:

„Die treue Liebe läßt nicht zu,
Daß ich Dich (Jupiter) darum bitten thu, (die Untreue zu strafen)
Und ließ es zu die Liebestreu,
So brächte mirs doch zeit’ge Reu ...
Und sollte Dirs nicht wohl ergehn,
Würd’ ich in gleicher Trauer stehn.“

Auf trübe Liebeserfahrungen deutet auch „Das Lob der schwarzen Tugendhaften gegen die bloßen Schönen“ hin; hier hat ihm wohl wirkliche Liebe die Feder geführt: mit Verzicht auf den sonstigen Schwulst sind wärmere und innigere Töne angeschlagen, denen man die Empfindung anmerkt:

„Ich lobe Eure Freundlichkeit
Und laß sie mir belieben,
Ich weiß, Ihr werd’t zu keiner Zeit
Wie andre mich betrüben.
Eurer geliebten Äugelein
So schöne Gnadenblicke
Die können von der Todespein
Auch bringen mich zurücke.“

Gern und oft singt er den Preis der Tugend und Treue und stellt sie der Schönheit und dem Reichthum voran: auch klingt dieses Lob echt, wo es volksthümlich gefaßt ist. Aber gerade das Lob der fröhlichen Armuth gehört eben auch wieder zu den nothwendigsten Theilstücken der Schäfermaske: und im Schäferlied ist es mit Armuth wie mit Liebe und Tugend nicht allzu ernst gemeint. Weit echter und auch deutlicher ist bei dem Durchschnittsmaß der Schäferdichtung das Gepräge sittlicher Leichtfertigkeit und üppiger Verbuhltheit. Die

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/283&oldid=- (Version vom 24.8.2024)