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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/285

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sein.[1] Die Handlung scheint nur der verbindende Text für diese Einlagen zu sein. Der ganze Roman erinnert in dieser Hinsicht an die Textbücher unserer älteren Opern mit ihren Arien, Romanzen, Duetts und dergl. – steht er ja auch in der psychologischen Begründung nicht über ihnen. Was hinsichtlich der Behandlung der Liebe in der Schäferlyrik bereits gesagt ist, gilt in demselben Maße auch für die Schäferromane. Wie sich Brehme selbst im Nachwort seines Romans sehr bezeichnend ausdrückt, soll in derartigen Dichtungs-Erzeugnissen „vornehmlich von vieler Liebe“ gehandelt werden. Der Roman Coelinde und Corimbo ist höchst unbedeutend, er weicht auch nicht eine Linie von der breiten Mittelstraße dieser Gattung ab. Die eigentliche Handlung ist nahezu gleich Null; sie läßt sich in wenigen Sätzen fast erschöpfend wiedergeben. Ein Kavalier Cambyses begiebt sich aus Schmerz über die Untreue seiner Geliebten in Schäferverkleidung unter dem Namen Corimbo in ein anderes Land. Er gelangt in einen Palast, dessen Herrin Melibella ihn freundlich aufnimmt. Zwischen einer ihrer Damen, Coelinde, und dem Corimbo entspinnt sich ein Liebesverhältniß. Dies zieht sich nun in zärtlichen Reden durch den ganzen Roman. Knapp vor dem Schluß wird Corimbo, dessen Kavalierseigenschaft inzwischen erkannt worden, von der Melibella auf eine mehrtägige Reise geschickt. Inzwischen kommt ein Kavalier, Galinter, an den Hof der Melibella und erlangt von dieser die Gunst, mit Coelinden trotz deren Widerstreben verlobt zu werden. Unter großen Seelenschmerzen verzichtet Corimbo auf die Geliebte. In der Vorrede deutet der Verfasser an, daß hier wirkliche Begebenheiten maskirt vorgeführt werden. Und gegen den Schluß, in der Liebesklage des Corimbo, versteckt sich Brehme selbst: in verhüllten Ausdrücken schildert er da seinen Lebensgang. Diese Lebenswirklichkeit ist auch der Grund, warum der Dichter hier anonym auftritt. Doch geht die Wahrheit der Schilderung nicht weiter als bis zu einer ganz oberflächlichen Andeutung geschehener Vorgänge. Von einer inneren Verbindung, einer seelischen Vertiefung und Begründung ist kaum eine Spur vorhanden. Wie weit diese psychologische Flachheit geht, zeigt folgende Einzelheit: Coelinde hat eine Freundin, die den Corimbo gleichfalls liebt; sie versucht es nach einander bei beiden Liebenden, durch Verleumdung Zwietracht zu säen – das stört aber nicht das freundschaftliche Verhältniß zwischen ihnen und der durchschauten Verrätherin. Im ganzen Buch verräth sich nur allein in der knappen Charakteristik dieser falschen Freundin das Bestreben, seelisch zu schildern. Die Handlung wird auseinander gezogen durch viele und lange Gespräche der Personen: vor lauter Reden kommen sie nicht zum Handeln. Diese Gespräche sind hohles Wortgepränge, in ihnen spiegelt sich die hochtrabende, gespreizte Höflichkeit der guten Gesellschaft ihrer Zeit wieder, der gegenüber unsere heutige Höflichkeit ein Naturkind ist. Um die leere Handlung weiter zu füllen, sind kleinere Erzählungen eingeflickt, die den handelnden Personen in den Mund gelegt werden, mit der Handlung selbst aber nichts zu thun haben; bemerkenswerth sind unter ihnen einige volksthümlich anmuthende Lügengeschichten.

In seiner Bethätigung auf dem Gebiete der Kunstlyrik, zumal der zierlichen Schäferposie, wird Brehme jedoch wesentlich beeinträchtigt durch eine gewisse Schwerfälligkeit und Ungewandtheit im poetischen Ausdruck. Er besitzt nicht in vollem Maße die Mittel zur Beherrschung der technischen Form: Leichtigkeit, Anmuth, Fluß und Glätte fehlen ihm so ziemlich ganz. Er ist in seiner poetischen Sprache von den Regeln der Opitzschen Poeterey so gut wie unberührt geblieben. Reim und Rhythmus muß er oft mit Gewalt erzwingen durch fehlerhafte oder unbeholfene Wortformen, durch Verrenkungen und Dehnungen, durch Accentfehler und ähnliche Mittel. Worte der Volkssprache wie „geschach“, „sach“, „lan“, „han“, „schlan“, die Opitz für die Schriftsprache ausdrücklich verpönt, wendet Brehme häufig an; „gelgen“ findet sich für jählings; gelegentlich begegnen ungewöhnliche Formen wie „beschreit“ für beschrieen, „scheinte“ für schien, „rumbher“ für umbher. Gewisse ungeschickte Wendungen kehren häufig wieder: was = etwas wendet er substantivisch an für Sache; statt des Hauptworts gebraucht er das entsprechende Eigenschaftswort mit dem Hilfswort sein: das Traurigsein, das Schönsein, das Treusein, für Traurigkeit, Schönheit, Treue. In ungeschickter Weise werden Worte zerrissen: „er dachte, wo die Lieb’ her müßt den Ursprung haben.“ Die Worte werden auseinander gezogen, um den Vers zu füllen: „Kerrel“ für Kerl, „Kerren“ für Kern, „Zorren“ für Zorn, „wegken“ für weg; zum selben Zweck wird auch ohne Umstände ein Wort einfach wiederholt: „jáwohl, wohl ihr habts errathen“. Auch Accentfehler, wie das letzte Citat einen zeigt, sind häufig: „in Leid, Lieb und aúch Gefáhr“, oder „Lust únd Wohlfáhrt verálten“. Um solche falsche Accente zu vermeiden, werden gelegentlich auch Worte umgestellt: „daß ich den ganzen Tag recht über nüchtern bin“ für über recht. Ferner stören sinnlose Pleonasmen: „treue Treu’“, „verliebte Liebe“, „beständige Beständigkeit“. Dem Reim zu Gefallen oder überhaupt scheut er auch nicht starke Plumpheiten, wie er die Klio anruft: „Hilf meiner Tinte schmieren“, gezwungene Umschreibungen, wie „begierige Sitten“ für Liebe, weither geholte geschmacklose Bilder,

wie die „blanke Himmelsbrust“ oder:


  1. Vergl. v. Waldberg a. a. O.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 281. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/285&oldid=- (Version vom 24.8.2024)