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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/97

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Zufriedenheit des Prinzen Eugen erworben hatte, traf nach Wiederherstellung des Friedens Ende Januar 1736 in der Heimath wieder ein. Welcherlei Verwendungen Gersdorff in dem Feldzuge am Rheine und während der vorausgegangenen beiden Kriegsjahre in Polen gefunden habe, ist unbekannt. Als „Volontär“ an Kriegszügen theilzunehmen, war, wie schon erwähnt, im 18. Jahrhunderte etwas Gebräuchliches. Nicht blos Offiziere der verschiedensten Armeen suchten auf diese Weise ihre höhere kriegerische Ausbildung, sondern auch junge Edelleute, die gar nicht in einem militärischen Dienstverhältnisse standen, betrieben die Theilnahme an kriegerischen Unternehmungen als eine Art ritterlichen Sports, indem sie, versehen mit Empfehlungen ihrer Landesherren, in das militärische Gefolge eines Generals, zumeist des Höchstkommandierenden, sich aufnehmen ließen. Beispielsweise sei erwähnt, daß unter den Volontärs des Rheinfeldzugs 1735 in dem Hauptquartiere Eugen’s von Savoyen nicht weniger als 43 Prinzen sich befanden[1].

In den vorerwähnten Feldzügen, denen Gersdorff mit Auszeichnung[2] beigewohnt, hat er jedenfalls die praktischen Erfahrungen gesammelt, welche ihn später befähigt haben, eine Truppe mit Geschick vor den Feind zu führen.

In dem auf die Rheinkampagne folgenden Jahre 1736 verlor Gersdorff seinen Vater, den obengenannten Geheimen Rath und Gegenhändler Christoph Ernst von Gersdorff, welcher den 2. August in seinem 69. Lebensjahre zu Dresden verstarb und in der evangelischen Hofkirche beigesetzt wurde[3]. Seine vier Söhne beerbten ihn und wurden auf ihr Ansuchen am 4. Oktober 1736 mit dem Rittergute Plieskowitz als gemeinschaftliche Besitzer beliehen[4].

In den nächstfolgenden Jahren 1737–39 war ein namhafter Theil der sächsischen Armee berufen, wiederum im Dienste Oesterreichs gegen die Türken zu kämpfen.

Carl August von Gersdorff verblieb im Lande.

Es mag hier erwähnt werden, daß sein Oheim, der Generallieutenant Freiherr von Friesen, das sächsische Hilfskorps nach Ungarn führte und auch auf diesem Kriegszuge von seinem, inzwischen zum Hauptmann aufgerückten Neffen Christoph Leopold von Gersdorff, dem jüngsten Bruder Carl August’s, begleitet war. Friesen erlag schon am 24. September 1737, 62 Jahre alt, einem tückischen Fieber im Lazareth zu Belgrad. So riß der Tod nach Jahresfrist eine zweite schmerzliche Lücke in den Familienkreis.

Wie wir gesehen, hatte Gersdorff von Ende des Jahres 1733 an bis zu Anfang 1736 mit Titel und Rang eines Ingenieur-Capitains in der Eigenschaft eines „Volontärs“ bei der Armee sich befunden und als solcher keinen Gehalt bezogen. Seine Vermögensverhältnisse gestatteten ihm dies. Verschiedene Gründe sprechen dafür, daß er auch während der nächstfolgenden Jahre in ein festes militärisches Dienstverhältniß noch nicht getreten sei, sondern à la suite des Ingenieurkorps gestanden und seinen Studien gelebt habe, unter denen die mathematischen und volkswirthschaftlichen bevorzugt, die militärischen aber sicherlich nicht vernachlässigt worden sein werden.

Das friedlich beginnende Jahr 1740 brachte zwei weltgeschichtliche Ereignisse, deren Konsequenzen auf eine gar lange Zeit hinaus den allgemeinen Frieden erschüttern und insbesondere über Sachsen schweres Ungemach bringen sollten.

Friedrich II. bestieg den preußischen Königsthron und die Erzherzogin Maria Theresia nahm auf Grund des Erbfolgegesetzes vom 19. April 1713 (pragmatische Sanktion) von den Erbstaaten ihres Vaters, Karl’s VI., Besitz. Ansprüche wurden nun erhoben Seiten des Kurfürsten Karl Albrecht von Bayern auf die österreichischen Erblande, Seiten Friedrich’s II. auf die vier schlesischen Fürstenthümer Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau. Hierdurch waren die Keime gegeben, sowohl zu dem österreichischen Erbfolgekriege, als auch zu dem ersten, dem zweiten und dem dritten schlesischen oder dem siebenjährigen Kriege. Zu alledem in Sachsen die finanzielle und sonstige Mißwirthschaft des Premierministers Grafen Brühl!

Soviel zur Skizzirung des düsteren geschichtlichen Hintergrundes der nächsten Jahrzehnte des Lebens Carl August von Gersdorff’s.

Man versteht es, wie eine groß angelegte Natur, wie die seinige, ausgestattet mit schönen, durch gründliche Studien ausgebildeten Geistesgaben, unter dem Eindrucke des gewaltigen Ernstes der Zeiten immer mehr an Vertiefung gewinnen mußte. Nicht als einen Genuß, sondern als eine Aufgabe sah er das Leben an – und wo er glaubte, daß sein Landesherr und das Vaterland seiner bedürfen könnten, da war er zur Stelle.

Der König von Preußen war unerwartet am 16. Dezember 1740 in Schlesien eingerückt. Zwei Wochen darauf erfolgte in Kursachsen der definitive Befehl zur Mobilisirung, die man in ahnungsvoller Voraussicht schon seit geraumer Zeit in’s Auge gefaßt und vorbereitet hatte. Gersdorff zauderte nicht, sich


  1. Frhr. ô Byrn. a. a. O.
  2. Dies hebt Frhr. ô Byrn a. a. O. S. 168 Anmerkg. 148 hervor. Bei der bekannten Gewissenhaftigkeit des Antors ist die Wahrheit dieser Angabe nicht anzuzweifeln, wiewohl kein Beleg beigebracht ist.
  3. Leichenregister der evangel. Hofkirche.
  4. Bl. 108 f. der alleg. Akten, Plieskowitz betr.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/97&oldid=- (Version vom 24.7.2024)