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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

48-50. Das menschliche Sprachorgan. 19


48. Verfolgt man nun, von der Innenseite der Oberzähne beginnend, mit der Fingerspitze die obere Wandung der Mundhöhle, so gelangt man zuerst an eine kleine nach innen zu convexe Wölbung, die Alveolen der Oberzähne An diese schliesst sich der nach innen concav gewölbte harte Gaumen, der etwa soweit rückwärts reicht wie die beiden Zahnreihen. Ist man mit dem Finger bis zu dieser Grenze fortgeschritten, so fühlt man, wie an die Stelle des bis dahin harten Gaumendachs plötzlich eine weiche, dem Drucke nachgebende Platte tritt. Dies ist der weiche Gaumen oder das Gaumensegel (''velum palati). Man kann dieses in seiner ganzen Ausdehnung am bequemsten übersehen, wenn man ein recht breites ä ausspricht und wo möglich die Zungenspitze aus dem Munde hervorstreckt. Hierbei sieht man, wie das Gaumensegel nach hinten zu durch einen bogenförmigen Muskel, den hintern Gaumenbogen (Schlundgaumenbogen, arcus pharyngopalatinus) begrenzt wird, dessen untere Enden nach dem Pharynx zu verlaufen. Durch die von diesem Bogen freigelassene Oeffnung hindurch erblickt man die hintere Rachenwand. Ungefähr in seiner Mitte ist das Gaumensegel von einem zweiten, nur stärker gewölbten Bogenmuskel durchzogen, dem vordern Gaumenbogen (Zungengaumenbogen, arcus glossopalatinus), dessen beide senkrechten Pfeiler seitwärts in die Zunge verlaufen. Zwischen den beiden Gaumenbögen liegen seitlich die Mandeln (tonsillae), und von der höchsten Wölbung des vordern (raumenbogens herab zieht sich nach dem hintern Gaumenbogen hin und über diesen noch etwas hinausragend das Zäpfchen (uvula).

49. Die Bewegungen des Gaumensegels sind einfach. Es kann entweder nach vorn gezogen werden, bis zum Zungenrücken hin (dies geschieht z. B. bei der Aussprache des velaren , s. unten 322), oder nach rückwärts an die hintere Rachenwand gepresst werden (z. B. bei der Aussprache der Vocale), wobei es zugleich mehr oder weniger gehoben wird. Im ersteren Falle sperrt es, wie schon oben bemerkt, den Rachenraum vom Mundraum, im letzteren vom Nasenraum ab. Beim ruhigen Athmen und bei der Aussprache von nasalirten Lauten hängt es freischwebend zwischen Zungenrücken und Rachenwand, so dass Mund- und Nasenraum ein Continuum, oder doch mindestens zwei communicirende Hohlräume darstellen.

50. Auf der untern Seite des Mundraums begegnen wir von den Lippen nach innen fortschreitend zunächst wieder einer

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/39&oldid=- (Version vom 11.5.2022)