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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

137. Die Articulationsarten des Ansatzrohrs. 53


Cl. XXVLI (1858), 90 ff. Czermak, ebenda XXIV (1857), 4ff. XX VIII (1858), 575ff. Merkel 62ff.). Sehr einfach und überzeugend ist Czermak’s Verfahren. Man bringe während der Bildung des zu untersuchenden Lautes eine kalte polirte Platte, etwa eine Messerklinge, vorsichtig unter die Nasenöffnung. Ist die Gaumenklappe fest geschlossen, so bleibt die Platte rein, bei der geringsten Oeffnung aber beschlägt sie sich mit Wasserbläschen. Fast ebenso empfindlich und für die Demonstration besser geeignet ist folgende Modification des Brücke’schen Verfahrens (Grundz. 28), eine brennende Kerze vor die Nasenöffnung zu bringen. Man befestigt in die Enden zweier Kautschukschläuche kleine Metall- oder Glasröhren, die in eine feine Spitze auslaufen; vor den Mündungen derselben werden zwei kleine Kerzenflammen angebracht. Die beiden andern Enden führt man möglichst luftdicht in die eine Nasen-, bez. die Mundöffnung ein (bei der letztern kann man auch zur bequemern Auffangung des Luftstroms einen kleinen Trichter benutzen). Spricht man dann einen reinen Vocal aus, so wird nur die vor der Mündung des Mundschlauchs befindliche Flamme umgeblasen, bei einem Nasal nur die andere, bei einem nasalirten Vocal, auch bei der geringsten Spur von Nasalirung, gerathen beide in heftiges Flattern. Um die Sache auch durch das Gehör entscheiden zu können, kann man bei stimmhaften Lauten auch die Enden der Kautschukschläuche (ohne jene Spitzen) in die Ohren einführen; man hört dann das charakteristische Schmettern des Stimmtons je nach der Art des untersuchten Lautes nur in je einem oder gleichzeitig in beiden Ohren. Ein sehr einfaches Experiment ist auch das, während der Aussprache des betreffenden stimmhaften Lautes die Nase plötzlich zuzuhalten. Ist der Laut nasalirt, so verändert er sofort merklich seinen Klang, weil sein bisher offener Resonanzraum in einen gedeckten verwandelt wird. Ganz empfindlich ist übrigens dieser Versuch nicht, weil auch bei reinen Vocalen mit straff angespanntem Gaumensegel (namentlich i) die Schallschwingungen durch das letztere in den Nasenraum übertragen werden, so dass auch dieser einen geringen Einfluss auf den Gesammtklang des Vocals erhält.

137. Nennen wir alle diejenigen Geräusche, welche durch Reibung eines Luftstroms an den Rändern einer Enge entstehen, Reibelaute oder Spiranten (auch Fricativae wird dafür gebraucht), alle diejenigen Sprachlaute aber, welche mittelst eines völligen Verschlusses des Sprachorgans gebildet werden, einstweilen Verschlusslaute, so ergeben sich aus den oben angegebenen Factoren folgende verschiedene Lautgruppen:

1. Aus 1 und 4 die rein sonor gebildeten Arten der Vocale und Liquidae (Cap. 10 ft.).

2. Aus 1und5 die nasalirten Vocale und Liquidae (Cap. 10 ff.).

3. Aus 2und 4 die Mundspiranten oder Spiranten im engeren Sinne; z. B. stimmloses f, s, ch oder stimmhaftes v, z, (Cap. 14).

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/73&oldid=- (Version vom 23.5.2022)