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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

60 152—154. Die Zungengaumenlaute.


152. Ueber die Nothwendigkeit der Unterscheidung coronaler und dorsaler Articulation s. Michaelis, Ueber die Physiologie und Orthographie der s-Laute, Berlin 1862, und Kuhn’s Zeitschr. XXIIL, 518 ff. Nur fasst Michaelis den Begriff ‘dorsal’ enger, indem er ihn nur für die zwischen dem Zungenrücken und dem vorderen Theile des Gaumens oder den oberen Schneidezähnen gebildeten Laute anwendet. Statt ‘coronal’ sagt Michaelis ‘apical’, was mir weniger passend erscheint, da man dabei unwillkürlich zu sehr bloss an die vordere Spitze denkt: jedenfalls aber hatte Michaelis Recht, den früher von mir gebrauchten missverständlichen Ausdruck ‘oral’ statt ‘coronal’ zu verwerfen. — Die laterale Articulation ist, wenn man will, nur eine Unterabtheilung der allgemeinen Kategorie der Randarticulationen der Zunge; die andere Abtheilung derselben bilden die coronalen.

Hiernach gewinnen wir folgende Gruppen von Zungengaumenlauten:


A. Mediane Articulationen.
1. Vorderes Gebiet.

153. In der Indifferenzlage ruht die Zungenspitze hinter den Unterzähnen. Sie kann von dort ausgehend stufenweise gehoben und mit entsprechenden Theilen der beiden Zahnreihen, der Alveolen der Oberzähne und des harten Gaumens in Berührung gebracht oder diesen genähert werden. Hat sie so die obere Grenze der Alveolen überschritten, so kann sie selbst etwas nach hinten übergebogen werden. Die Unterfläche der Zunge wird dabei nach vorn zu convex und berührt theilweise den harten Gaumen (Brücke S. 36 f.). Die Articulation selbst kann dabei entweder coronal oder dorsal sein, vgl. oben 150.

154. Dies ganze Articulationsgebiet pflegt die vergleichende (Grammatik im Anschluss an das indische Lautsystem gewöhnlich nur in zwei Unterabtheilungen zu zerlegen, die der Cerebrale und Dentale. Brücke theilte sodann die letztere Gruppe wieder in Alveolare, Dorsale und (eigentliche) Dentale ein, fasste aber selbst innerhalb seiner Dentale Laute von ganz verschiedenem Mechanismus zusammen, indem er z. B. lehrte, dass ein ‘dentales’ t gebildet werden könne, ‘indem man die Zahnreihen ein wenig von einander entfernt und den Spalt mit dem Zungenrande verstopft, oder indem man den Rand der flach liegenden Zunge ringsum an die obere Zahnreihe anpresst, oder endlich indem man die Spitze der flach liegenden Zunge nach abwärts biegt und hart über derselben durch festes Aufdrücken der Oberzähne den Verschluss bildet’ (Grundz.1 37). Nach ihm

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/80&oldid=- (Version vom 23.5.2022)