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Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen

62 159. 160. Vordere Zungengaumenlaute.


Zungensaum selbst den Spalt zwischen den beiden Zahnreihen verstopft. Hierher gehören z. B. die t, d des Armenischen (doch nicht ausnahmslos) und anderer orientalischer Sprachen, neugriech. d, θ, auch oft engl. th.

Diese Interdentalen halten die neutrale Mitte zwischen coronaler und dorsaler Articulation, indem die Vorderzunge flach und ohne Knickung ausgebreitet daliegt. Sobald eine Hebung der Zunge stattfindet, gelangen wir zu der Articulationsweise der Postdentalen, Alveolaren und Cerebralen. Wird aber die Zungenspitze nach unten gedrückt und ein weiter rückwärts gelegener Theil der Zunge gehoben, so bekommen wir die specifische Articulationsform der

b. Laute dorsaler Articulation.

159. Brücke beschreibt nur eine Art dorsaler Laute der Vorderzunge, die er schlechthin Dorsale nennt (Lundell’s Dentipalatale). Sein dorsales t wird z. B. gebildet, indem man mit dem vorderen convex gemachten Theile des Zungenrückens gegen den vorderen Theil des Gaumens schliesst, während die Zungenspitze nach abwärts gebogen und gegen die untern Schneidezähne gestemmt wird. Man kann aber auch z. B. ein s bilden, dessen Enge zwischen dem Zungenrücken und den Oberzähnen liegt, während der eigentliche Zungensaum noch immer hinter den Unterzähnen ruht (so wird z. B. das franz. s, z articulirt). Manche Personen, die mit der Zunge ‘anstossen’, bilden ein s zwischen dem ‘Zungenblatt’ und der Kante der oberen Schneidezähne. Man kann also fast alle die Articulationen auch dorsal bilden, die oben bei den coronalen Lauten aufgeführt wurden. Eine praktische Einschränkung erfährt dieser Satz aber dadurch, dass die dorsale Wölbung des Zungenblatts die Bildung rein postdentaler Verschlusslaute fast unmöglich macht, da gar leicht bei dem Versuche dazu auch die obern Alveolen mit berührt werden. Jedenfalls aber ist das dorsal-dentale franz. s von den dorsal-alveolaren t-Lauten Brücke’s zu trennen.

160. Die Scheidung der Laute dorsaler Bildung rührt wieder zunächst von Michaelis her. — Uebrigens lässt sich der Unterschied der beiden zuletzt genannten Gruppen deutlich fast nur bei den Spiranten beobachten. Beiden Verschlusslauten ist die Berührungsfläche von Zungenrücken und Gaumen meist so breit, dass es schwer ist, deren Begrenzung genügend zu ermitteln.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Sievers: Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der Lautlehre der indogermanischen Sprachen. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1901, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eduard_Sievers_-_Grundz%C3%BCge_der_Phonetik_-_1901.djvu/82&oldid=- (Version vom 23.5.2022)