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Zeichen tättowirt, die mir aber mein Freund durchaus nicht erklären wollte. Ich erfuhr nur so viel, daß er diese Hand

von einem König hinter den Pampas „poste restante Plagwitz“ als Souvenir erhalten hatte mit dem Bemerken, sie sei von seinem ältesten Sohne, der sich ein besonderes Vergnügen daraus mache, dem Freunde seines Vaters ein Erinnerungsblatt senden zu dürfen. Mein Freund zeigte mir den Brief des Königs hinter den Pampas, eine merkwürdige Briefmarke zu 18 kr. war darauf genagelt, der Brief selbst von Menschenhaut.

Ueber diesen aufopfernden Edelmuth dieses Königs hinter den Pampas war ich denn aufs Tiefste erschüttert, denn von einem solchen Albumblatt hatte ich bisher keinen Begriff gehabt.

Nun ging es zur Abendtafel.

Wie soll ich beschreiben, wo soll ich anfangen? Was habe ich auf dieser Tafel gesehen und gegessen!

Zuvor reichte uns Sklave Dienstag zwei Bestecke chinesischer „Eßwerkzeuge,“ die in einem Futteral von gehärtetem Quecksilber stacken. In ungeheuer großen ausgehöhlten Cocusnußschaalen wurde die Bouillon servirt. Aber was für eine Bouillon! Augen darauf, so groß wie der Knopf eines spanischen Rohres. Uebrigens bestand die Suppe aus Alligatorenmark und Pelikanfett. Junge peruanische Tauben und ähnliches Geflügel wurden halb gebraten, halb lebendig auf den Tisch gebracht, über welche Grausamkeit ich allerdings meinem Freunde einige Vorwürfe machen mußte. Allerlei Käfer und eßbare Spinnen vertraten hier die Stelle des Gemüses, so wie, seltsam genug, eine Aloestaude die einzige vegetabile Erscheinung war. Eine Art Austern wurde unter Anderm aufgetragen von so seltener Größe, daß sie Sklave Dienstag auf einem kleinen Wagen hereinfuhr. In den Schalen derselben fangen die Wilden das Regenwasser auf, auch hat diese Auster Knochen wie ein mässiges Kalb, jedoch das feinste Fleisch, welches mit eingesalzenen indianischen Vogelnestern angemacht einen vortrefflichen Leckerbissen gab. Straußeneier mit Büffelaugen, australische Zwerghirsche mit Lamabraten erschienen dann, als Sklave Dienstag plötzlich auf den Tisch sprang, was ein Zeichen war, daß die Tafel aufgehoben sei. Die Sklaven nämlich wachen in den Tropenländern immer über die Mäßigkeit ihrer Herren, und sind so die besten Mittel gegen Indigestionen.

Nachdem mir mein berühmter Freund einen kühlenden Abendtrunk gereicht, der aus gefrorener californischer Eselsmilch bestand, und ich ihm heilig versprechen mußte, nicht sobald wieder zu kommen (wieder eine indische Sitte), schied ich mit Verehrung und Dankbarkeit von ihm.

Es war inzwischen völlig Nacht geworden, weshalb mir der zarte Sklave Dienstag mit einer Laterne von den Freundschaftsinseln vorleuchtete, wobei er mir immer winkte. Als ich

ihm beim Abschied 5 Neugroschen in die Hand drücken wollte, verweigerte er es hartnäckig und grinzte: „Feisch, feisch, Masser!“ Ich errieth sogleich, daß er lieber Fleisch und Wasser, als Geld annähme, und beschloß, mich das nächste Mal darnach zu richten.

Als ich in mein Hausthor trat, gab mir Dienstag noch einen Tritt, um seinem Herrn schwören zu können, daß er mich pünktlich nach Hause gebracht.

So endete für mich einer der interessantesten Tage meines Lebens.

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Herbert König: Ein Besuch bei meinem Freunde Gerstäcker. Braun & Schneider, München 1853, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_Besuch_bei_meinem_Freunde_Gerst%C3%A4cker-Herbert_K%C3%B6nig-1853.djvu/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)