Seite:Ein verlorener Posten 135.jpg

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nach einer Uebung den Leuten im gleichgültigsten Tone die Aufforderung des Komitees als eine Einladung mitgeteilt, der man Folge geben oder die man unbenützt lassen möge, wie es dem einzelnen eben beliebe. Natürlich sprach sich unter den Leuten bald herum, was er gegen die Chargierten geäußert hatte, und die Folge war, daß in unserem Festzuge am Sedantag die Feuerwehr durch ihre Abwesenheit glänzte. Das Häuflein, das sich eingefunden hatte, war so lächerlich klein, daß wir es wieder nach Hause schickten — sie hätten höchstens als eine Deputation figurieren können.“

Martha nickte, ohne ein Wort zu sagen, befriedigt in sich hinein; wie hübsch war es, daß die Leute sich so von ihm leiten ließen und ihm seine Wünsche von den Augen absahen! Aber konnte es denn auch anders sein, mußten sie für ihn nicht durch Feuer und Wasser gehen? — Frau v. Larisch dagegen, der Wolfgangs politische Meinungen außerordentlich gleichgültig waren und die nur etwas über ihn in Erfahrung bringen und den Rektor in Eifer sehen wollte, fragte, als nehme sie die Sache nachgerade doch ernst:

„Hoffentlich hat Ihr Sündenregister keine Fortsetzung?“

„O doch, gnädige Frau! Bei Gelegenheit der großen Herbstmanöver nahm unser ritterlicher Kronprinz für eine Nacht hier Quartier und die Stadt bereitete ihm einen herzlichen und feierlichen Empfang. Schade, daß Sie nicht hier sein konnten — es war ergreifend, überwältigend, einzig. Die Feuerwehr wurde ersucht, mit den Kriegern, Sängern u. s. w. Chaine zu stehen, lehnte aber, sehr höflich und verbindlich natürlich, durch ihren Hauptmann ab, und ihr Fehlen ist sogar Seiner kaiserlichen Hoheit aufgefallen, und der Herr Bürgermeister mußte wohl oder übel zu einer Notlüge greifen.“

Selbst dieser erschwerende Umstand erzielte jedoch noch lange nicht die gewünschte Wirkung. Frau v. Larisch warf nur hin:

„Lieber Gott, das ist aber immer noch kein Majestätsverbrechen. Ich denke mir das Chainestehen und Hurraschreien nicht viel interessanter als das Sträußchenwerfen, und das überlasse ich anderen.“

Auch Emmy, die inzwischen der Frau Rektorin in übermütiger Laune allerlei übertriebene Schilderungen entworfen und eine gläubige, kritiklose Zuhörerin gefunden hatte, und die dem Gespräch der anderen nur halb gefolgt war, wendete sich an den patriotischen Schulmonarchen und sagte lebhaft:

„Ach, gehen Sie mir mit Ihrer häßlichen, langweiligen Politik, Herr Rektor. Wenn Sie weiter nichts gegen Herrn Hammer sagen können, fällt es mir gar nicht ein, mich vor ihm zu fürchten und ihn für einen lichtscheuen Wühler zu halten. Er hat wirklich nichts, aber auch gar nichts von einem Maulwurf!“

„Sie sind um Ihre glückliche, kindliche Harmlosigkeit zu beneiden, gnädiges Fräulein!“ seufzte der Rektor. „Ach, man lernt, je älter man wird, nur immer mehr erkennen, daß oft gerade die Offenheit und Freimütigkeit die Maske sein muß für die verborgensten und verworfensten

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_135.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)