Seite:Ein verlorener Posten 200.jpg

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in der eifrigen Unterhaltung zwischen diesem und dem Landrat von Wertowsky ab, begrüßte dann beide Herren und sagte halb gedämpft aber ruhig und fast heiter zu seinem Chef:

„Wahrscheinlich melde ich mich im Laufe des Abends auch einmal zum Wort, Herr Kommerzienrat; ich habe verschiedenes auf dem Herzen, das herunter muß!“

Herr Reischach sah ihn überrascht an; der Einfall befremdete ihn. Als aber Wolfgang noch leiser und mit bedeutungsvollem Blick, hinzufügte:

„Haben Sie vergessen, daß ich Ihnen noch eine Antwort schuldig bin? Ich möchte sie heute und auf diese Weise geben,“ neigte er zustimmend und mit schlauem Blick leicht das Haupt und sagte, nunmehr auf der Höhe der Situation und aufs angenehmste überrascht, mit aller Freundlichkeit, deren er fähig war:

„Sehr wohl, Herr Hammer; fein, sehr fein ausgedacht; Sie sind und bleiben ein Tausendsasa, und jetzt verstehe ich auch, warum sie nicht gleich antworteten. Seh einmal einer, daran hatte selbst ich nicht gedacht. Nun, da wird sich eine gewisse Martha aber freuen!“

Wolfgang zog sich nach einer leichten Verbeugung gegen beide Herren zurück, und der Kommerzienrat wendete sich aufgeräumt an Herrn von Wertowsky:

„Eben hat sich ein Freiwilliger gemeldet, — ist entschieden zu brauchen. Kann es noch zu etwas bringen, — benimmt sich äußerst geschickt. Wissen Sie noch, Herr Landrat, was wir drüben im Extrazimmer besprochen haben, gerade seinetwegen? Nun, das Vögelchen wird nachher pfeifen, — ist durch gutes Futter kirre gemacht — hahaha! — werden sich über die veränderte Tonart wundern! Man muß die Menschen zu nehmen wissen; nun, das lernt sich nach und nach, und diesmal hab ich die Geschichte äußerst fein eingefädelt, ohne ruhmredig sein zu wollen.“

Der Landrat horchte auf. „Sie meinen, Ihr Herr Hammer wird für uns ins Zeug gehen? Das wäre aber doch wunderbar, und wenn Sie das fertig gebracht haben, so sind Sie ein Hexenmeister und ich muß Ihnen mein Kompliment machen.“

Die Glocke des Einberufers schnitt dem Kommerzienrat das Wort ab. Man wählte mit eben ausreichender Majorität einen in der Wolle gefärbten Nationalliberalen zum Vorsitzenden und der Rektor bestieg die Tribüne, um das Gefecht einzuleiten. Es fehlte seiner wohlpräparierten Rede weder an provozierenden Ausfällen gegen die „Papstknechte“, durch die er heftige Proteste der Ultramontanen hervorrief, noch an Seitenhieben gegen „die Verteidiger der Pariser Petroleumshelden“, und das geräuschvolle, aber etwas forcierte Bravo der Partei, die sich im Centrum des Saals zur Phalanx formiert hatte, vermochte das Murren im Hintergrund und auf den Galerien nicht ganz zu übertäuben.

Der junge Kaplan, der dem Rektor folgte, entwickelte Geschmeidigkeit, Klugheit und Geschick. Das von der Blässe des Seminars überzogene,

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_200.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)