Seite:Ein verlorener Posten 51.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sei, aber infolge der vorhergegangenen Aufregung immerhin Bedenken rechtfertige und die sorgsamste Pflege erheische; eine Gehirnentzündung oder ein Nervenfieber seien mindestens möglich. So wurde denn Wolfgang von einigen Leuten seines Corps behutsam aufgehoben und nach seiner Wohnung getragen; seine Wirtin, die anfänglich ganz außer sich war, faßte sich rasch, als der Arzt, der den kleinen Transport begleitet hatte, ihr vorstellte, die Genesung des Verwundeten hänge von der strengen Befolgung seiner Befehle ab und er müsse sich auf dieselbe verlassen können, da er sonst gezwungen sei, Wolfgang nach dem Krankenhause bringen zu lassen. Sie konnte sich ein Beispiel an Proud nehmen. Das kluge Tier gab die lebhaftesten Zeichen von Unruhe, verhielt sich aber ganz still und verfolgte nur jede Bewegung der um seinen Herrn Beschäftigten mit den Augen, als suche es den Zweck dieser ungewohnten Thätigkeit zu erraten. Als sich dann der Arzt für befriedigt erklärte und Ruhe, vollständige Ruhe als das zunächst Erforderliche bezeichnete, sah Proud gerade so aus, als wolle er sagen: „Ich kann leider bei der schlimmen Sache weiter nichts thun, für die Ruhe aber verbürge ich mich.“ Und als alle das Zimmer verlassen hatten, sprang er geräuschlos auf den Stuhl am Kopfende des Bettes, legte einen Moment seinen mächtigen Kopf neben den seines Herrn auf das weiße Kissen und sah ihn mit seinen ehrlichen Augen besorgt und traurig an. Dann legte er sich vor die Schwelle der Thüre, als sei er entschlossen, diesen Posten nicht eher wieder zu verlassen, als bis sein Herr selber es ihm befehlen würde.

Von den vom Arzt für möglich gehaltenen Komplikationen des Falls trat keine ein und die Heilung verlief bei Wolfgangs gesunder und unverdorbener Natur normal. Auch die vorübergehenden Trübungen des Bewußtseins und der Erinnerung verloren sich und nur eine tiefe Müdigkeit und ein großes Schlafbedürfnis blieben zurück, zur größten Befriedigung des Arztes, der in ihnen die sicherste Gewähr für die rasche Wiederherstellung seines Patienten sah.

Am Tage nach jener ereignisreichen Nacht empfing Frau v. Larisch, die inzwischen nach W. zurückgekehrt war, von der kleinen Emmy nachfolgendes, durch eine sehr mangelhafte Interpunktion und einige orthographische Schnitzer auf die Höhe weiblicher Liebenswürdigkeit emporgehobenes Briefchen:

Meine teure Leontine!

Kaum hast Du den Rücken gekehrt, so passieren hier die romantischsten Dinge und Dein Protégé, dieser Herr Hammer mit seinem unendlichen Schnurrbart, fängt an, mir fürchterlich zu werden. Denke Dir, gestern nacht bricht nur ein paar Häuser von seiner Wohnung Feuer aus, und ich kann Dir versichern, es war ein so heilloser Skandal, daß ich mich vor dem schauerlichen Blasen und Tuten unter die Steppdecke verkrochen und mir die Ohren mit dem Kopfkissen verstopft haben würde, wäre es nicht andererseits so komisch, dem Laufen und Rennen der Feuerwehrleute

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_51.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)