Seite:Ein verlorener Posten 78.jpg

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ihn zurückzugeben, und als ich ihn entdeckte, glaubte ich, ihn als ein kleines Andenken an jene Stunde behalten zu dürfen. Indessen steht er, wenn ich dabei zu voreilig geschlossen habe, jeden Augenblick zu Ihrer Verfügung.“

Martha errötete bis in die Schläfen, aber im nächsten Moment schon sagte sie ungezwungen, scherzend und ohne jeden Anflug von Koketterie:

„O nein, behalten Sie ihn immerhin und lassen Sie ihn ein Unterpfand ferneren freundlichen Verkehrs fein; ich würde jetzt in seiner Zurücksendung die Ankündigung erblicken, daß Sie nie wieder über Ihren Garten und Ihre Rosen mit mir plaudern wollen, wie Sie es heute gethan haben.“

„Dann kann ich ihn also wohl als mein unveräußerliches Eigentum betrachten, denn über diesen Punkt werden Sie mich vermutlich stets gesprächig und mitteilsam finden, da Sie ein warmes Naturgefühl und Sinn für einfache Schönheit haben.“

Sie waren umgekehrt und eben nicht angenehm überrascht, als ihnen Frau v. Larisch entgegenkam; schon von weitem rief sie ihnen scherzend zu:

„Also Martha entführt mir unseren tollkühnen Feuerwehrhauptmann, der mir vor einer Stunde mit sehr ernster Miene eröffnet, daß er eine Bitte an mich zu richten habe — freilich, wenn zwei Waldschwärmer zusammenkommen, finden sie so leicht kein Ende.“

„Nicht Buchen und Birken — des Herrn Kommerzienrats Rosen tragen die Schuld, und Sie können immerhin ein Examen mit Fräulein Hoyer anstellen: Sie weiß jetzt ganz genau, welche Rosen Gloire de Dijon, welche Malmaison, welche Boule de Neige, welche Paul Neron und Marechal Niel heißen; es ist fraglich, ob Sie eine gleich wißbegierige Schülerin gewesen wären.“

„In der That bin ich viel neugieriger auf die bewußte Bitte — ist es Ihnen gleichgültig, ob Sie dieselbe unter vier Augen oder vor Zeugen aussprechen?“

Wolfgang erriet wohl, daß es Frau v. Larisch am erwünschtesten gewesen wäre, Martha abzulösen und sich von ihm durch den Garten führen zu lassen, aber er verstand sie absichtlich nicht und erwiderte, daß seine Bitte sehr wohl auch von Fräulein Hoyer gehört werden könne; sie nahmen in der den Ausgang aus dem Gartensalon flankierenden, von Schlinggewächsen überwucherten Veranda Platz und auf Frau v. Larischs etwas ironisch klingende Aufforderung warf Wolfgang die Frage auf, ob sie in der Lage sei, ein junges Mädchen, für das er sich bis zu einem gewissen Grade interessiere, entweder selbst in ihren Dienst zu nehmen oder es in W. in einer Familie unterzubringen, die sie human behandle und ihr Gelegenheit biete, noch etwas zu lernen. Frau v. Larisch warf

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_78.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)