Seite:Elektrische und Optische Erscheinungen (Lorentz) 121.jpg

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Von dieser durch die Aenderung der Fortpflanzungszeiten bedingten Verschiebung — wir wollen dieselbe der Kürze halber die Maxwell’sche Verschiebung nennen — wurde aber keine Spur gefunden, und so meinte Hr. Michelson denn schliessen zu dürfen, dass der Aether bei der Bewegung der Erde nicht in Ruhe bleibe, eine Folgerung freilich, deren Richtigkeit bald in Frage gestellt wurde. Durch ein Versehen hatte nämlich Hr. Michelson die nach der Theorie zu erwartende Veränderung der Phasendifferenzen auf das Doppelte des richtigen Werthes veranschlagt; verbessert man diesen Fehler, so gelangt man zu Verschiebungen, die durch Beobachtungsfehler gerade noch verdeckt werden konnten.

In Gemeinschaft mit Hrn. Morley hat dann später Hr. Michelson die Untersuchung wieder aufgenommen[1], wobei er, zur Erhöhung der Empfindlichkeit, jedes Lichtbündel durch einige Spiegel hin und her reflectiren liess. Dieser Kunstgriff gewährte denselben Vortheil, als wenn die Arme des früheren Apparates beträchtlich verlängert worden wären. Die Spiegel wurden von einer schweren, auf Quecksilber schwimmenden, und also leicht drehbaren Steinplatte getragen. Im ganzen hatte jetzt jedes Bündel einen Weg von 22 Metern zu durchlaufen, und war nach der Fresnel’schen Theorie, beim Uebergange von der einen Hauptlage zur anderen, eine Verschiebung von 0,4 der Streifendistanz zu erwarten. Nichtsdestoweniger ergaben sich bei der Rotation nur Verschiebungen von höchstens 0,02 der Streifendistanz; dieselben dürften wohl von Beobachtungsfehlern herrühren.

Darf man nun auf Grund dieses Resultates annehmen, dass der Aether an der Bewegung der Erde theilnehme, und also die Stokes’sche Aberrationstheorie die richtige sei? Die Schwierigkeiten, auf welche diese Theorie bei der Erklärung der Aberration stösst, scheinen mir zu gross zu sein, als dass ich dieser Meinung sein könnte, und nicht vielmehr versuchen sollte, den Widerspruch zwischen der Fresnel’schen Theorie und dem Michelson’schen Ergebniss zu beseitigen. In der That


  1. Michelson and Morley. American Journal of Science, 3d Ser., Vol. 34, p. 333, 1887; Phil. Mag. 5th Ser., Vol 24, p. 449, 1887.