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IV. Amleth. 135

 die ganze Schrift aus, weil sie von einer Ehe mit einem alten Manne nichts wissen wollte und nur eines jungen Mannes Umarmung wünschte. Sie schrieb aber einen Auftrag darauf, gleich als sei er ihr von dem Könige von Britannien übermittelt, mit seinem Titel und Namen unterzeichnet, in dem sie die Sache so darstellte, als würde ihre Hand für den Überbringer erbeten. Sie nahm auch die Vorgänge, die sie von seinem Schilde abgelesen hatte, in das Schreiben auf, so dass man den Schild für einen Zeugen der Schrift und die Schrift für einen Dolmetsch des Schildes halten konnte. Darauf gab sie ihren Leuten, die für sie Kundschaft geholt, die Weisung, den Schild zurückzubringen und auch den Brief wieder an seine Stelle zu legen; sie wollte an Amleth denselben Trug anwenden, den er, wie sie gelernt hatte, zur Überlistung seiner Begleiter angewandt hatte.

Unterdessen hatte Amleth gemerkt, das der Schild ihm listig unter dem Kopfe weggezogen war und stellte sich mit geschlossenen Augen in berechnender List schlafend; er wollte durch verstellten Schlaf wiedererlangen, was er durch den wirklichen eingebüsst hatte. Denn er setzte voraus, dass der Spion gern noch einmal eine Täuschung versuchen werde, da ihm die erste so gut gelungen war. [103] 103In dieser Erwartung täuschte er sich nicht: der Kundschafter wollte leise heranschleichend Schild und Brief an ihren früheren Ort zurückbringen; da sprang Amleth auf, packte ihn und liess ihn binden. Dann weckte er sein Gefolge und rückte an die Wohnung der Königin. Er überbrachte ihr die Grüsse seines Schwiegervaters und überreichte ihr das mit dessen Siegel verschlossene Schreiben. Als Hermuthruda (so hiess die Königin) das Schreiben hingenommen und durchgelesen hatte, da sprach sie sich anerkennend aus über die Bemühung des Amleth und sagte, Fengo habe gerechte Strafe getroffen; Amleth aber habe eine That mit unfassbar tiefer Klugheit in Angriff genommen, die über menschliche Schätzung hinausgehe, insofern er nicht nur mit unergründlicher Tiefe der Weisheit den Weg erdacht, die Ermordung seines Vaters

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_145.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)