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V. Frotho III., Erik. 169


Das so geplagte Volk übte die Klage ob seiner Bedrängnis nur in verborgenen Seufzern. Keiner besass den Mut, über das Elend seiner Lage öffentlich zu schelten; keiner dachte an das Wagnis, die über sie herfallende Bosheit durch ein offenes Wort ins Licht zu stellen. Innerer Schmerz zerfleischte aller Herzen, verborgen und deshalb um so schärfer.

Als das Götarus, der König von Norwegen erfuhr, berief er seine Mannen zu einer Versammlung und legte ihnen vor, dass die Dänen ihres Königs überdrüssig wären; [127] 127sie wünschten mit Sehnsucht einen andern, wenn sie die Macht dazu erhielten, und er habe sich entschlossen, das Heer dahin zu führen; leicht könne Dänemark erworben werden, wenn man es nur mit den Waffen in der Hand betrete; Frotho herrsche sowohl habgierig als auch grausam über das Land. Da trat Ericus auf und unterbrach den König durch entgegengesetzte Ausführung. „Oft“, sagte er, „wir erinnern uns, büsst das eigne Gut ein, wer nach fremdem Besitze seine Hände ausstreckt; wer nach zwei Dingen hascht, dem entgehen sie beide. Das muss ein kräftiger Vogel sein, der den Klauen eines andern die Beute entreissen will. Dich ermutigt die innere Unzufriedenheit des Landes, aber mit Unrecht; denn diese verscheucht in der Regel das Auftreten eines Feindes. Wenn auch die Dänen jetzt zwiespältiger Natur zu sein scheinen, so werden sie doch einem Feinde sofort einmütig entgegen treten. Oft haben hadernde Eber Wölfe zur Eintracht gebracht. Ein jeder zieht den angestammten Herrscher einem Ausländer vor; ein jedes Land ehrt inniger den heimischen König als einen Fremden. Auch wird Frotho nicht zu Hause auf dich warten, sondern er wird dir auf dem Zuge ausserhalb seines Landes entgegentreten. Mit den Spitzen ihrer Krallen rupfen sich die Adler, mit den Schnäbel kämpfen die Vögel[1]. Du weisst selbst, eines Weisen Erwägung muss frei von Reue sein. Du hast ein zahlreiches Gefolge. Dir bleibe deine Ruhe; du wirst ja wohl so ziemlich der Macht gewiss sein können, den Krieg durch andere führen zu lassen.


  1. Diese Sentenz ist auch (II) 6030 verwendet.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_179.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)