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VI. Fridlew. 239


mit Namen, hatte vom kindlichen Spiele ein Riese, der das Aussehen eines gewöhnlichen Menschen angenommen hatte, weggeraubt, benutzte ihn als Ruderer, als er seinen Kahn nach dem nächsten Ufer hinüberlenkte und fuhr an Fridlew, der gerade auf Kundschaft ausgegangen war, vorüber. Der König konnte es nicht ruhig mit ansehen, dass der Riese den gefangenen Knaben für sich arbeiten liess, und strebte, dem Räuber seine Beute abzujagen. Der Knabe machte ihn darauf aufmerksam, dass er dem gegenüber zunächst scharfen Angriff in Worten anwenden müsse; er werde leichter bekämpft werden, prophezeite er, wenn er zuvor durch ein Spottgedicht gereizt würde. Da begann Fridlew so:

Du bist ein Riese, unbesiegt, drei Körper gross,

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Dein Scheitel ragt beinahe bis zum Himmel auf,

Warum nun hängt am Bein ein winzig kleines Schwert,
Umgiebt ein Stummelspiess die grosse Seite Dir?
Was festest Du die starke Brust mit schwachem Schwert,
Hältst gar nicht auf Dein Äussres, giebst auf Sohönheit nichts,

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Vertrauend auf das kleine Ding von kurzem Dolch?

Bald, bald nun schlag’ ich Deinen grimmen Angriff ab,
Wenn Du mit stumpfem Schwert zum Kampf Dich stellst.
Du bist ein angsterfülltes, dummes, wildes Tier,
Dem grossen Leib entspricht nicht Deine schwache Kraft;

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Drum wirst Du wie ein flüchtger Schatten weggefegt;

Zu grossem, prächtgem Leibe hat beschieden Dir
Geschick ein feiges Herz, von Furcht umhergejagt,
[179] 179Ein Herz, das zu den starken Gliedern schlecht sich fügt.
Drum wankt bedenklich das Gefüge Deines Baus,
Weil herrliche Gestalt an schlechtem Sinne lahmt,
Weil uneins in den eignen Gliedern die Natur.

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Drum wird Dir jeder Ruhmespreis entschwinden nun,

Nicht wirst genannt Du, wo man starke Helden nennt,
Du wirst gerechnet zu dem unbekannten Tross.

Nach diesem Liede kürzte er den Riesen um ein Bein und eine Hand und trieb ihn in die Flucht, den Gefangenen aber befreite er. Er eilte sofort nach dem Vorgebirge des Riesen, holte seinen Schatz aus der Höhle und führte

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_249.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)